Update zum Artikel Künast

Ende Oktober letzten Jahres hatten wir bereits über den Fall Künast und die überraschende Entscheidung des Landgerichts Berlin berichtet. Damals hatten wir bereits angenommen, dass es wahrscheinlich ist, dass jener Beschluss, der Äußerungen wie z.B. „Drecks Fotze“ dem Schutz der Meinungsfreiheit unterstellt, keinen Bestand haben würde – hiermit sollten wir Recht behalten: Das Landgericht Berlin hat teilweise seinen Beschluss bereits selbst aufgehoben. Hierzu gleich ausführlicher:

Ursächlich für das Ganze war ein falsch zitiertes Zitat eines Internetbloggers. Dieser hatte einen Zwischenruf der Politikerin in einer parlamentarischen Debatte derart verfälscht, dass beim Lesen der Eindruck entstand, Sex mit Kindern würde von ihr gebilligt.

Neues im Fall Künast: 

Bezugnehmend auf den diesseitigen Artikel vom 30.10.2019 hatten wir bereits die häufigsten Straftatbestände bei „Hass im Netz“ dargestellt und die strafrechtlichen und zivilrechtlichen Folgen aufgeführt. (https://www.granzin-rechtsanwaelte.de/de/news/hass-und-hetze-im-netz-und-die-moeglichen-konsequenzen/)

Vorab kann im Hinblick auf mögliche Konsequenzen derartiger Hass-Posts noch erwähnt werden, dass der Blogger, der den „Shitstorm“ gegen die Grünen-Politikerin auslöste, von ihr ebenfalls zivilrechtlich erfolgreich in Anspruch genommen wurde. Das Landgericht Frankfurt (Main) verurteilte jenen Blogger wegen Verbreitung falscher Tatsachen zu einer Schadensersatzzahlung in Höhe von € 10.000. Diese Entscheidung kann zwar noch mittels der Berufung angegriffen werden, jedoch signalisiert sie sehr deutlich, dass die Einschätzung des Landgerichts Berlin nicht überall geteilt wird und diese Einzelfallentscheidung demnach nicht als Maßstab angesetzt werden sollte. Insgesamt muss bei Äußerungen im Internet immer beachtet werden, welche Reichweite diese durch das Teilen anderer entwickeln kann. Hierbei sollte nicht vergessen werden, dass die Kontrolle bei Posts sehr schnell entgleiten kann und die persönlichen Folgen, wie dargetan, gravierend sein können. Die Konsequenzen eines einzelnen Satzes können daher erhebliches Ausmaß annehmen.

Darüber hinaus hat sich hierdurch auch der Druck auf die Berliner Richter, zusätzlich zu der umfassenden Berichterstattung und scharfen Kritik, deutlich erhöht.

Erwartungsgemäß ist der Beschluss des Landgerichts Berlin bereits wenige Monate, nachdem er erlassen worden war, teilweise abgeändert worden. 

Im Beschwerdeverfahren hat zuerst das Gericht, das den angegriffenen Beschluss erlassen hat, erneut die Möglichkeit, den eignen Beschluss zu kontrollieren. Hierbei kann es auf die zur Begründung der Beschwerde angeführten Argumente eingehen. Erst nachdem es selbst an dem eigenen Beschluss ganz oder teilweise festhält, wird der Beschluss der höheren Instanz – dem Beschwerdegericht – vorgelegt.

Das Landgericht Berlin hat der Beschwerde in diesem ersten Schritt, der eigenen Überprüfung des Beschlusses, nur teilweise abgeholfen. Die damit befassten Richter haben in sechs der 22 Fälle den Beschluss abgeändert und in den anderen Fällen ihre Entscheidung weiter begründet. In den betroffenen sechs Fällen haben die Richter, die von Frau Künast als Beleidigungen und Ehrverletzungen empfundenen Äußerungen nun doch nicht mehr als schutzwürdige Meinungsäußerungen eingestuft. Folglich wird in der zweiten Instanz noch über die weiteren 16 Einzelfälle zu entscheiden sein.
In dem Abhilfebeschluss vom 21.01.2020 (LG Berlin, Az. 27 AR 17/19) werden nunmehr die Äußerungen: „Schlampe“ „Drecks Fotze“, „Drecksau“ sowie, dass Frau Künast „entsorgt“ gehöre, als formal Beleidigungen bewertet. Eine Rechtseinschätzung, die auch vor dem Beschluss nicht sonderlich weit hergeholt war. Bei den weiteren 16 vorliegenden Fällen, wird noch eine ausführliche Bewertung anstehen, hier wird die Frage spannend, inwieweit eine unterschiedliche Bewertung zwischen „Drecksau“ (formal Beleidigung) oder „Pfui du altes grünes Dreckschwein“ (Meinungsäußerung) gerechtfertigt ist. 

Die Folge aus dem Beschwerdeverfahren ist, dass durch den Abhilfebeschluss nun die Plattformbetreiber verpflichtet werden, die Namen und IP-Adressen der Urheber preiszugeben. Folglich ist nun auch gegen diese Personen ein Zivilverfahren, wie gegen den ursprünglichen Blogger, mit der Folge von Schadensersatz möglich. Durch die Preisgabe der Identität wird selbstverständlich auch eine Strafverfolgung gegen diese einfacher.

Rechtliche Entwicklung:

Insgesamt ist festzustellen, dass die juristische Fehlentscheidung im Fall Künast, nochmal deutlich den Druck auf Justiz und Ermittlungsbehörden erhöht hat. 

In den letzten Jahren war bereits festzustellen, dass der Druck auf Ermittlungsbehörden, das Internet nicht als eine Art „rechtsfreien Raum“ zu bewerten, stieg. In manchen Bundesländern sind dahingehend bereits Cyberkriminalität-Einheiten gegründet worden oder Dezernate von Staatsanwaltschaften darauf spezialisiert worden. 

Auch wenn im Deckmantel der Anonymität eine Verfolgung derzeit oft noch erschwert ist, lässt sich erkennen, dass auch große Internetplattformen, nicht mehr partout gegen Verfolgung sind. Vielmehr wird die Kooperation wird auch dahingehend besser. Insofern sollte man als von Beleidigungen Betroffener – ob als Sender oder Empfänger – die Thematik ernst nehmen und sich fachkundigen Rat einholen. Wir, Dr. Granzin Rechtsanwälte, stehen Ihnen hierfür zur Verfügung.

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