Was ist vorgefallen?
Im Jahr 1986 rief die Politikerin während einer Debatte, die sich mit dem Sexualstrafrecht befasste im Berliner Abgeordneten Haus ausweislich des Protokolls dazwischen: „Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist!“. Ein Blogger veränderte dieses Zitat zu dem Satz: „Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist, ist Sex mit Kindern doch ganz ok. Ist mal gut jetzt!“ Die Reaktionen auf seinen Internetpost waren dementsprechend heftig und emotionalisiert. Die Politikerin ist in Kommentaren als „Drecks Fotze“ und „Geisteskranke“ bezeichnet worden.
Renate Künast entschied, hiergegen rechtlich vorzugehen. In einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren beantragte sie, dass Facebook verpflichtet wird die Daten der Facebook-Nutzer herauszugeben. Das LG Berlin lehnte ihr Anliegen jedoch mit der Begründung ab, dass diese Bezeichnungen inhaltliche Auseinandersetzungen mit dem Sachthema seien und demnach zulässige Meinungsäußerungen. Der Beschluss des LG Berlin ist mittlerweile mit der Beschwerde angegriffen worden und es gilt zu hoffen und auch zu erwarten, dass diese Beschwerde erfolgreich sein wird.
Das LG Berlin führt aus, dass die Äußerungen in einem Sachzusammenhang erfolgt wären und deswegen zulässige Meinungsäußerungen seien. Hierzu muss festgestellt werden, dass diese Art der Argumentation den Straftatbestand der Beleidigung quasi abschaffen würde. Ein Sachzusammenhang ist schnell gefunden: z.B. der Mittelfinger beim Autofahren, weil der Fahrer des anderen Autos nicht schnell genug an der Ampel anfährt, steht im Sachzusammenhang mit Kritik an dem Fahrstil. Die Betitelung „als Drecksbulle“ kann in einem Sachzusammenhang mit der Tätigkeit des Polizisten bei beispielsweise einer Hausdurchsuchung stehen. Es wird schnell deutlich, dass diese Argumentation nicht allgemeingültig sein und nicht gehalten werden kann.
Konsequenzen derartiger Ausführungen:
Nachfolgend aufgeführte Konsequenzen sind natürlich immer vom Einzelfall und der jeweiligen Situation abhängig: Aussageintensität, Reichweite, Abrufpräzens im Netz etc.
Strafrechtliche Folgen:
Wie so oft, kommt eine pauschale Einordnung nicht in Betracht. Die Bewertung steht und fällt mit der Wortwahl und dem Kontext. Wichtig für die Betrachtung ist erst einmal, sich zu vergegenwärtigen, dass das Strafgesetzbuch auch im Internet gilt und anzuwenden ist.
Mögliche Straftatbestände:
• Beleidigung gem. § 185 StGB, eine Äußerung, die durch Missachtung oder Nichtachtung die Ehre einer anderen Person verletzt. Dies kann durch Worte, Schriften, Bilder oder Handlungen erfolgen.
Strafandrohung: Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahre oder Geldstrafe.
• Üble Nachrede gem. § 186 StGB, in Beziehung auf einen anderen Tatsachen behaupten, welche diese Person verächtlich machen, wenn die Tatsachen nicht erweislich wahr sind.
Strafandrohung: Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr oder Geldstrafe.
• Verleumdung gem. § 187 StGB, wider besseres Wissen unwahre Tatsachen behaupten, welche die Person verächtlich machen.
Strafandrohung: Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe.
• Bedrohung gem. § 241 StGB, Androhung, dass ein gegen die Person gerichtetes Verbrechen begangen werden soll (Verbrechen sind nach § 12 StGB Straftaten, die mit mindestens 1 Jahr Freiheitsstrafe geahndet werden), häufig Androhung von Tötungsdelikten.
Strafandrohung: Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr oder Geldstrafe.
Dies stellt natürlich nur einen Ausschnitt der möglichen Straftatbestände dar, die erfüllt werden können über das Internet, dennoch wohl die häufigsten, die durch „Hass im Netz“ verwirklicht werden. Bei den ersten drei davon, die den Betroffenen in der Ehre verletzen, wird, sofern sie nicht von Wiederholungstätern begangen werden, im Regelfall die Staatsanwaltschaft das öffentliche Interesse verneinen und den Geschädigten auf den Privatklageweg verweisen. Das heißt, dass die Erhebung der öffentlichen Klage davon abhängt, ob der Geschädigte die Gerichtskosten vorstreckt, das Klageverfahren also gezielt und eigenständig anstrebt.
Insgesamt wird bei den Delikten eher selten eine Freiheitsstrafe verhängt werden.
Das setzt aber voraus, dass ein Urheber überhaupt bekannt ist. Wie der Fall Künast zeigt, stellt das Ermitteln der Täter bereits derzeitig eine Hürde dar. Zivilrechtlich erweist es sich als schwierig, Facebook zur Herausgabe von Daten zu verpflichten, doch sobald die Staatsanwaltschaft Anfragende ist, sieht das schon anders aus. Hierfür hat Facebook eigens eine Internetseite eingerichtet, damit Ermittlungsbehörden einfacherer an Daten herankommen. Häufig tun sich Staatsanwaltschaft und Polizei schwer diesen Weg zu gehen, da Facebook trotzdem ausführliche Begründungen verlangt und dieser Ermittlungsaufwand in Anbetracht der Tat häufig als unverhältnismäßig gesehen wird. Doch hierauf sollte man sich nicht verlassen.
Zivilrechtliche Folgen:
Ungeachtet der strafrechtlichen Konsequenzen können auch zivilrechtliche Konsequenzen folgen. Persönlichkeitsrechtsverletzungen stellen einen immateriellen Schaden im Sinne des § 253 BGB dar. Das heißt, es droht die Zahlung von Schmerzensgeld, zudem die Zahlung des Schadens, der dem Betroffenen durch die Äußerung im Netz entsteht. Typisch sind insoweit Rechtsverfolgungskosten, also die Gebühren, die z.B. der Anwalt des Betroffenen, verlangt.
Neben Schmerzensgeld steht dem Geschädigten ein Anspruch auf Unterlassung zu. Es kann verlangt werden, dass eine strafbewehrte Unterlassungserklärung von dem Äußernden abgegeben wird. Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ist eine Erklärung, in der der Urheber der Äußerung dem Geschädigten verbindlich zusagt, dass keine weitere Rechtsverletzung folgen wird und falls doch, eine Vertragsstrafe an den Geschädigten zu zahlen ist.
Dies wird im Rahmen einer Abmahnung verlangt, wie sie aus dem Urheberrecht bei illegalen Downloads typisch und bekannt ist. Wird diese Erklärung nicht innerhalb einer angemessenen Frist abgegeben, kann dieser Anspruch in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren geltend gemacht werden. Das kann sehr schnell ein sehr teures Vergnügen werden.
Wenn Sie sich haben hinreißen lassen, Ihrer Ansicht deutlich Ausdruck zu verleihen oder Sie mit einem derartigen Ausdruck belegt worden, kontaktieren Sie uns, Dr. Granzin Rechtsanwälte, wir sind Ihr Ansprechpartner.
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