Alexa, wer war der Mörder?

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Immer mal wieder liest man Hinweise von Datenschützern, dass mit den immer komplexeren technischen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, auch signifikante Risiken für unsere Privatsphäre einhergehen. Doch wie verhält es sich mit sprachgesteuerter Smartsoftware im Strafverfahren? Wie ein jüngst ergangenes Urteil des Landgerichts Regensburg nun zeigt, kann Alexa als Beweismittel buchstäblich gehört werden.

Ob Alexa, Siri oder Google, der moderne Anwender nutzt entsprechende Sprachassistenten zur Vereinfachung des täglichen Lebens. Dies kann eine kurze WhatsApp-Nachricht sein, die schneller diktiert als geschrieben ist oder nur die Frage nach dem Wetter, aus manch einem Alltag sind derartige technische Hilfsmittel gar nicht mehr wegzudenken. Die Hilfsmittel bekommen insoweit reihenweise Geschehnisse mit – wie sind etwaige Aufzeichnungen und Daten von solchen Assistenten im Strafverfahren zu bewerten?

Das Landgericht Regensburg hatte erstinstanzlich diese Frage zu entscheiden. Und obwohl die betreffende Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist, weil der Rechtsweg noch nicht erschöpft ist und noch offen ist, ob die Rechtsmittelinstanz die Entscheidung abändert, hat das Urteil doch hohe Wellen geschlagen. Alexa wurde als Beweismittel herangezogen und aufgrund der seitens des Gerichts angenommenen Zulässigkeit der Verwertung erfolgte die Verurteilung.
 

Deutsches Strafverfahren vs. ausländische Server

In dem Verfahren vor dem Landgericht Regensburg mit Urteilsspruch vom 16.12.2020 wurde dem Angeklagten die Begehung eines Totschlags vorgeworfenen. Ihm wurde zur Laste gelegt, seine ehemalige Lebensgefährtin erwürgt zu haben. Fraglich blieb, ob der Angeklagte sich zum Tatzeitpunkt, und damit hier auch dem ungefähren Todeszeitpunkt, überhaupt noch in der Wohnung befunden hatte. Weil die Getötete einen Smartlautsprecher Alexa in ihrem Schlafzimmer hatte, fragten die Ermittlungsbehörden bei Amazon nach, ob es irgendwelche aufgenommenen Daten gäbe. Amazon übermittelte diese an die Behörde. Hervorzugeben ist hierbei, dass Amazon dies ohne offizielles Rechtshilfeersuchen unmittelbar veranlasste, hierzu wäre Amazon grundsätzlich nicht verpflichtet gewesen. Die entsprechenden Server mit den Daten befinden sich nämlich nicht in Deutschland, sondern in den USA. Ein solches offizielles Rechtshilfeersuchen ist durchaus aufwendig. Hierbei muss über das Bundesamt für Justiz beim U.S.-amerikanische Justizministerium angefragt werden, ob und wie etwaige Ermittlungsmaßnahmen durch amerikanische Ermittlungsbehörden durchgeführt werden können. Doch durch die freiwillige und zügige Kooperation war dies nicht erforderlich und die zwei kurzen Audiodateien lagen vor. Das Verhalten von Amazon zeigt, dass gerade, wenn die vorgeworfene Tat allgemein als schwer einzuordnen ist, eine Kooperation ohne gesetzlichen Zwang zu erwarten ist. 
Alexa als „Zeugin“
Anders als bei üblichen Zeugen konnte Alexa natürlich nicht wie eine „Zeugin“ verhört werden. Vielmehr wurden die auf den Servern von Amazon gespeicherten Mitschnitte der Sprachsteuerung abgespielt. Dabei handelte es sich um zwei kurze Sprachbefehle und nicht um Mitschnitte der mutmaßlich geführten Konversationen oder Geschehensabläufe. 

In den Dateien hört man eine Herrenstimme Alexa ansprechen und Sprachbefehle erteilen. Relevant hierbei war die Uhrzeit, welche einerseits vor dem Todeszeitpunkt und bei dem zweiten Sprachbefehl nach dem Todeszeitpunkt lag. Die Stimme konnte nach Ansicht des erkennenden Gerichts eindeutig dem Angeklagten zugeordnet werden, dies soll dieser sogar selbst im Rahmen der Verhandlung eingeräumt haben. Sodass insgesamt seine Anwesenheit am Tatort zum Tatzeitpunkt mit den Audioaufzeichnungen belegt werden konnte. Strafprozessual liegt die Kernfrage hier jedoch darin, ob dieses Beweismittel überhaupt zulässig ist.

Abhören von Wohnraum

In der Strafprozessordnung finden sich Regelungen zum sogenannten „großen Lauschangriff“ oder auch die akustische Wohnraumüberwachung gem. § 100c Abs. 1 Nr. 1 StPO i.V.m. § 100b Abs. 2 Nr. 1 lit. f StPO. Bei besonders schweren Straftaten darf das nicht öffentlich gesprochene Wort in den eigenen vier Wände mitgehört und aufgezeichnet werden, sofern tatsächliche Anhaltspunkte für die Verwirklichung sprechen und diese Maßnahme für die Erforschung der aufzuklärenden Straftat unverzichtbar ist. Bei dem Begriff der „besonders schweren Straftat“ handelt es sich um keinen vom Gesetzgeber eindeutig definierten Begriff, hier hat die Rechtsprechung Kriterien herausgearbeitet: Das verletzte Rechtsgut oder die Begehungsmerkmale und Tatfolgen müssen eine deutlich über dem Durchschnitt liegende „Schwere“ begründen. Insgesamt wird dies zumeist eine Einzelfallentscheidung sein, gleichwohl ist eine besondere Schwere bei Mord und Totschlag regelmäßig aufgrund der für das Opfer endgültigen Rechtsverletzung anzunehmen. Insofern wäre im obigen Fall die Möglichkeit für eine derartige Ermittlungsmaßnahme theoretisch gegeben, jedoch lagen die Aufzeichnungen ja bereits vor, bevor die Tat überhaupt bekannt war. Eine vorherige richterliche Anordnung zur Durchführung einer derartigen Maßnahme war insofern schlicht unmöglich. 

Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbot

Die Frage, die sich daher stellte, war, ob eine solche Aufzeichnung, die ohne Kenntnis des Angeklagten entstanden war, einem sog. Beweisverwertungsverbot unterliegen könnte. Das deutsche Strafrecht unterschiedet Beweiserhebungsverbote und Beweisverwertungsverbote. Ersteres soll dazu dienen, gewisse Methoden bei der Beschaffung der Beweismittel nicht anzuwenden, die Regelung des § 136 a StPO listet eine Vielzahl derartiger Methoden auf. Hierbei handelt es sich um Misshandlung und Folter, Ermüdung, jegliche körperliche Eingriffe oder Verabreichung von Mitteln. Auch Täuschungen und Hypnose sind unzulässige Wege zum Erkenntnisgewinn. Erwähnenswert dabei ist, dass auch das Androhen entsprechender Mittel bereits zu der Unverwertbarkeit führt. Dies könnte dem ein oder anderen Leser noch aus dem Fall Magnus Gäfgen bekannt sein, in dem die Polizei zum Auffinden des entführten Jacob von Metzler dem Hauptverdächtigen Folter androhte und der Beamte im Nachgang deswegen selbst wegen Nötigung im Amt verurteilt wurde.

Hingegen regeln Beweisverwertungsverbote nur, dass gewisse Ergebnisse, die festgestellt wurden im Rahmen der richterlichen Beweiswürdigung nicht berücksichtigt werden dürfen. Die kann bei sogenannten unselbstständigen Beweisverwertungsverboten aus der bereits unzulässigen Beweiserhebung gefolgert werden und gilt dann natürlich nicht nur für das beispielsweise unter Ermüdung abgegebene Geständnis, sondern auch für eine etwaige Zeugenaussage des vernehmenden Beamten, damit dieses Verbot nicht umgangen wird.

Vorliegend haben nicht die Ermittlungsbehörden die Audiodateien erstellt, sodass ein Beweiserhebungsverbote nicht in Betracht kam. Insofern kam nur ein sogenanntes selbstständiges Beweisverwertungsverbot in Betracht. Solche werden direkt aus dem Grundgesetz abgeleitet. Im konkreten Beispiel kann dies aus der Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 GG oder aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG hergeleitet werden. Die Vertraulichkeit des mit sich selbst (vorliegend war außer dem Angeklagten mutmaßlich niemand anderes mehr in der Wohnung) gesprochenen Wortes fällt dann unter Umständen darunter.


Tagebücher als Maßstab

Vergleichend kann hier auf frühere Rechtsprechung zum Thema Tagebücher eines Angeklagten zurückgegriffen werden. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung dürfen derartige Aufzeichnungen in Ausnahmefällen zum Tatbeweis herangezogen werden. Zwingend erforderlich ist jedoch eine Einzelfallabwägung, mithin also eine Abwägung zwischen den schutzwürdigen Interessen des Angeklagten und dem Interesse der Allgemeinheit an der Strafverfolgung. Hierbei ist jedem Angeklagten nach den Grundsätzen der Menschenwürde und der Freiheit der eigenen Person ein Kernbereich zuzubilligen, innerhalb dessen die private Lebensgestaltung und Äußerungen dem Staat zur Aufklärung entzogen bleibt. Im Rahmen der Rechtsprechung zu Tagebüchern wurde seitens der Gerichte angenommen, dass, sofern die Aufzeichnungen wirklich reiner „Gedankenfluss“ sind, also wie ein inneres Gespräch zu bewerten sind, diese nicht herangezogen werden dürfen. Wohingegen eine Verwertungsmöglichkeit besteht, sofern sich aus der Aufzeichnung die Schilderung nach außen gedrungener Geschehensabläufe ergibt.

Würde man ähnliche Gedankengrundsätze im vorliegenden Fall anwenden, so ließe sich die Auffassung vertreten, dass durch die an Alexa laut erteilten Sprachbefehle vorliegend kein Verwertungsverbot wegen des geschützten Kernbereichs der unantastbaren Selbstkommunikation besteht. Diesen Ansatz könnte das Landgericht Regensburg vertreten haben, die Urteilsgründe liegen noch nicht vor. Ob in den weiteren Instanzen die Auffassung des Landgerichts Regensburg bestehen bleiben, gilt es abzuwarten.

Abschließend muss man sich jedoch vor Augen halten, dass das Internet und somit auch Smartlautsprecher, über welche mit Unternehmen wie Amazon kommuniziert werden kann, nicht in einem rechtsfreien Raum agieren und insofern immer die Möglichkeit besteht, dass etwaige Äußerungen oder entsprechende Verhaltensweisen, mögen das Nutzerprofile von Google-Maps sein oder Bestellungen, immer als Quelle der Erkenntnis fungieren können.

Die Thematik von Beweisverwertungsverboten spielt immer wieder in Strafverfahren eine übergeordnete Rolle, insofern können wir nur empfehlen, in Strafverfahren erfahrende Verteidiger an der Seite zu haben, die sich hinsichtlich in der umfangreichen und komplexen Rechtsprechung hierzu bewandert sind. Wir stehen Ihnen fachanwaltlich im Strafrecht zur Seite.
 

 

 

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