Arbeitsunfähigkeit – Pflichtverletzungen trotz unverschuldeter Arbeitsverhinderung

Ob Sars-CoV-2 oder ein „normaler“ Virus - in der kalten Jahreszeit mehren sich die krankheitsbedingten Arbeitsausfälle. Während eine zweiwöchige Erkrankung in aller Regel eine arbeitsrechtliche Maßregelung nicht rechtfertigt, gibt es auch im Zusammenhang mit der Arbeitsunfähigkeit Stolpersteine, die Arbeitnehmer beachten müssen. Dies gilt umso mehr in Zeiten Corona-bedingter Fernsprechstunden und Co.. Worauf Sie im Zusammenhang mit einer Arbeitsunfähigkeit achten sollten, erklären wir in unserem heutigen Artikel:

Was muss man seinem Arbeitgeber mitteilen?

Im Falle einer Arbeitsunfähigkeit muss selbstverständlich der Arbeitgeber informiert werden. Sobald der Arbeitnehmer absehen kann, dass er nicht in der Lage sein wird, seine Arbeit aufzunehmen, muss er dies seinem Arbeitgeber anzeigen und mitteilen, wie lange er voraussichtlich ausfallen wird. Eine grobe Schätzung (bspw.: voraussichtlich nur heute, ein paar Tage oder die kommende Woche) ist zunächst ausreichend und wird durch eine später eingereichte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom Arzt konkretisiert. 

Hierbei ist eine Aufklärung durch den Arbeitnehmer, unter welchen Symptomen er leide, grundsätzlich nicht erforderlich. Der Arbeitgeber hat in aller Regel keinen Anspruch zu erfahren, ob Sie unter einer Magen-Darm-Erkrankung oder Kopfschmerzen leiden. Lediglich ausnahmsweise sind Arbeitnehmer zur Mitteilung ihrer Diagnose verpflichtet und zwar dann, wenn der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran hat. In Pandemiezeiten dürfte ein solches Interesse anzunehmen sein, wenn der Arbeitnehmer Symptome einer Covid-19-Erkrankung aufweist oder gar positiv auf Sars-CoV-2 getestet worden ist. In diesen Fällen muss der Arbeitgeber gegebenenfalls entsprechende Schutzvorkehrungen für die übrigen Arbeitnehmer und die Allgemeinheit treffen können.

Wann muss man sich bei seinem Arbeitgeber melden?

In § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) sind die Anzeige- und Nachweispflichten bei Arbeitsunfähigkeit geregelt. Wichtig ist, dass der Arbeitgeber bei Arbeitsunfähigkeit unverzüglich und in jedem Fall vor Arbeitsbeginn über die Arbeitsunfähigkeit und damit den Ausfall der Arbeitskraft durch den Arbeitnehmer informiert wird. Nur so hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, den Ausfall der Arbeitskraft zu kompensieren und beispielsweise die Arbeit entsprechend umzuverteilen oder aber – wenn es gar nicht anders geht – Mitarbeiter aus dem Urlaub zurückzuholen. 

Dabei ist darauf zu achten, ob es im Arbeitsvertrag oder in kollektiven Vereinbarungen (bspw. Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag) oder durch einseitige Anweisung des Arbeitgebers eine Regelung gibt, die die Art und Weise der Arbeitsunfähigkeitsmeldung vorschreibt. Grundsätzlich sind hierbei die üblichen Kommunikationswege (Telefon, E-Mail etc.) zu nutzen. 

Wann wird ein „Attest“ benötigt?

Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist eine Einschätzung des behandelnden Arztes, dass der Arbeitnehmer tatsächlich nicht fähig ist, seiner Arbeitspflicht nachzukommen. Umgangssprachlich bezeichnet man diese Bescheinigung auch als „Attest“ oder „Krankenschein“. Sie ist laut Gesetz spätestens am auf den dritten Kalendertag (Achtung: nicht Werk- oder Arbeitstag) der Arbeitsunfähigkeit folgenden Arbeitstag bei dem Arbeitgeber im Original vorzulegen. Damit ist der vierte Tag gemeint und nicht – wie ein häufiger Irrglaube besagt – der dritte Tag. Wenn der erste Tag der Arbeitsunfähigkeit ein Freitag war, ist die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung daher bereits am darauffolgenden Montag vorzulegen. 

Auch zu dieser Regelung lohnt sich ein Blick in die Einzelfallregelungen und Kollektivvereinbarungen. Denn der Arbeitgeber kann – abweichend von der gesetzlichen Regelung – eine Vorlage einer solchen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch bereits früher verlangen. 

Muss man im Bett liegen bleiben, wenn man arbeitsunfähig ist?

Arbeitsunfähigkeit ist nicht gleichbedeutend mit Bettlägerigkeit, Grippe oder Covid-19. Arbeitsunfähigkeit ist vielmehr immer dann gegeben, wenn aufgrund des persönlichen (Gesundheits-) Zustandes die arbeitsvertragliche Tätigkeit nicht ausgeführt werden kann. Das kann natürlich auf eine „normale“ Grippe zurückzuführen sein, aber auch ein gebrochenes Bein oder ein psychisches Leiden. Die Verhaltenspflichten des Arbeitnehmers hängen von dem Grund der Arbeitsunfähigkeit ab. Bereits im Eigeninteresse, aber auch als Teil der arbeitsvertraglichen Pflichten, sind alle Aktivitäten zu unterlassen, die eine schnelle Genesung beeinträchtigen. Bei Krankheitsbildern wie Depressionen profitiert die Genesung unter Umständen von ausgedehnten Spaziergängen oder einem Ausflug ans Meer. Längere Spaziergänge oder auch ausgedehnte Wanderungen sind im Falle eines gebrochenen Beines aber sicherlich zu unterlassen, da sie dem Gesundungszweck zuwiderlaufen. Dass auch der Gesundheitsschutz der Allgemeinheit im Falle der Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers zu berücksichtigen sein kann, zeigt sich nicht zuletzt während der aktuellen Pandemie. Wenn auch zumindest kurze Spaziergänge aus medizinischer Sicht bei einer Erkrankung mit Covid-19 durchaus als sinnvoll und der Gesundung zuträglich erscheinen dürften, sind sie dann doch zur Vermeidung der Ansteckung der Allgemeinheit zwingend zu unterlassen und Quarantäne in den eigenen vier Wänden einzuhalten.

Kann man während seiner Krankheit gekündigt werden?

Viele sind dem Irrglauben unterlegen, dass der Arbeitgeber eine Kündigung nicht aussprechen darf, solange der Arbeitnehmer krank oder arbeitsunfähig ist. Diese Annahme ist jedoch falsch. Während es in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) zwar eine solche Regelung zum Arbeitnehmerschutz gab, wurde diese nicht in den Arbeitnehmerschutz der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen. Daher kann während und sogar auf Grund (jedoch nur unter strengen Voraussetzungen) einer Arbeitsunfähigkeit eine Kündigung ausgesprochen werden. Mehr zur personenbedingten/krankheitsbedingten Kündigung finden Sie in unserem Beitrag: Kündigungsvoraussetzungen im Arbeitsrecht

Verhaltensbedingte Kündigung bei unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit?

Auch aus verhaltensbedingten Gründen, also wegen einer begangenen Pflichtverletzung, kann eine wirksame Kündigung ausgesprochen werden. Zuvor wurden die Pflichten des Arbeitnehmers bei unverschuldeter Krankheit ausführlich beleuchtet. Eine Verletzung dieser Pflichten sollte unbedingt vermieden werden. Während eine „leichte“ Pflichtverletzung (wie beispielsweise die einmalige nicht rechtzeitige Einreichung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) wohl höchstens abmahnungswürdig sein dürfte, kann eine verspätete Arbeitsunfähigkeitsmeldung oder genesungswidriges Verhalten sogar zur außerordentlichen fristlosen Kündigung führen. Abhängig ist die Wirksamkeit einer solchen Kündigung – oder auch anderer arbeitsrechtlicher Maßnahmen – vor allem von den Umständen des Einzelfalls. Gerade in Zeiten einer weltweiten Pandemie gilt mehr denn je ein umsichtiger Umgang mit dem Thema Arbeitsunfähigkeit. 

Verspätete Einreichung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei Corona-Pandemie-bedingter Ferndiagnose

In Zeiten der Corona Pandemie kann es sich anbieten, – zur Vermeidung von Infektionsrisiken – eine Fernsprechstunde eines Arztes in Anspruch zu nehmen. Auch in diesem Fall können Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt werden. Dem Umstand der Ferndiagnostik ist es jedoch geschuldet, dass der Patient seine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht sofort im Original vorliegen hat. Vielmehr wird diese in der Regel mit der Post zugeschickt. Dies kann nicht selten einige Tage in Anspruch nehmen. In solchen Fällen ist die Vier-Tages-Frist zur Vorlage der Originalarbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht oder nur schwer einzuhalten. Hier kann dem Arbeitnehmer jedoch in aller Regel kein Vorwurf gemacht werden, wenn er die verspätete Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht zu verschulden hat. Wichtig ist in einem solchen Fall jedoch der offene und konstruktive Austausch mit dem Arbeitgeber. Es empfiehlt sich diesen schon vor Ablauf der Vorlagefrist zu informieren, was der Hintergrund der Verspätung ist und gegebenenfalls beim Arzt nachzuhaken, wenn die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch nach mehreren Tagen noch nicht eingetroffen ist. 

Die Corona-Warn-App zeigt eine Begegnung mit erhöhtem Risiko an – wie verhält man sich richtig? 

Über Nacht führt die Corona-Warn-App ein Update durch und am Morgen leuchtet die App rot. Die App empfiehlt, sich auf dem direkten Weg nach Hause zu begeben und Kontakte zu anderen Menschen zu meiden. In diesem Fall sollte als Erstes der Kontakt zu den Gesundheitsbehörden aufgenommen und gegebenenfalls der Hausarzt oder ärztliche Bereitschaftsdienst unter 116117 kontaktiert werden. In aller Regel verordnen diese jedoch bei fehlenden Symptomen keine Quarantäne und eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird in aller Regel ebenfalls nicht ausgestellt. Bleiben Sie trotzdem einfach ohne jede Kommunikation mit dem Arbeitgeber zuhause, verlieren Sie den Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Auch weitere arbeitsrechtliche Konsequenzen – bis hin zur Kündigung – sind denkbar. Daher kann auch in diesem Fall nur geraten werden, mit dem Arbeitgeber unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, in den Dialog zu treten. Der Arbeitgeber kann Sie für die Zeit, bis Sie einen Test gemacht haben, zum Schutz der weiteren Beschäftigten bezahlt freistellen oder Ihnen das mobile Arbeiten ermöglichen. Auch individuelle Regelungen wie die Gewährung von Urlaub oder der Abbau von Überstunden kommen in Betracht. Einen Anspruch auf Freistellung oder „Home Office“ gibt es jedoch auch in einem solchen Fall nicht automatisch.

In jedem Fall empfiehlt sich in der aktuellen angespannten Situation ein kommunikatives Miteinander, insbesondere dann, wenn es um ein derart hohes Gut wie die Gesundheit geht. Sollten Sie dennoch in Schwierigkeiten geraten oder ist sogar eine Kündigung ausgesprochen worden, stehen wir, die Kanzlei Dr. Granzin Rechtsanwälte, Ihnen gerne zur Seite. Rufen Sie in der Kanzlei an oder vereinbaren Sie einen Rückruf über unseren Rückrufservice auf unserer Website.

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