Bei bestimmten Personengruppen von Arbeitnehmern ist darauf zu achten, dass für sie besondere Schutzbestimmungen bestehen. So sehen sich etwa Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung oder den Schwerbehinderten gleichgestellte Mitarbeiter im Erwerbsleben mit Schwierigkeiten konfrontiert und stehen daher unter besonderem rechtlichen Schutz.
Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass ihnen der Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt nicht erschwert wird und behinderte Arbeitnehmer sich beruflich entfalten können. Wie der Schutz vor Benachteiligungen für Schwerbehinderte konkret ausgestaltet ist und welche Pflichten daraus für Arbeitgeber resultieren, erklären wir im folgenden Beitrag.
Wann liegt eine Schwerbehinderung vor?
Behinderungen können mehr oder minder erheblich sein – aus rechtlicher Sicht drückt sich die Schwere der Beeinträchtigung einer behinderten Person durch den Grad der Behinderung aus. Abgestuft wird dabei in Zehnerschritten auf einer Skala bis 100, wobei eine Behinderung erst dann festgestellt wird, wenn durch die Funktionsbeeinträchtigung ein Grad von 20 erreicht wird.
Erreicht der Wert der Funktionsbeeinträchtigung einen Grad von 50 , ist davon auszugehen, dass die betroffenen Personen in ihrer gesellschaftlichen Teilhabe stark eingeschränkt sind. Ihnen wird daher der Schwerbehindertenstatus zuerkannt. Dieser ist Voraussetzung dafür, bestimmte Rechte zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile im Arbeitsleben beanspruchen zu können.
Was bedeutet „Gleichstellung“ in diesem Zusammenhang?
Personen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 30 und weniger als 50, können sich auf Antrag mit schwerbehinderten Menschen gleichstellen lassen, wenn sie rechtmäßig in Deutschland wohnen, sich dort gewöhnlich aufhalten oder beschäftigt sind und infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung keinen geeigneten Arbeitsplatz bekommen oder behalten können. Über die Gleichstellung entscheidet die Agentur für Arbeit.
Wie werden schwerbehinderte Menschen geschützt?
Arbeitnehmer mit schweren Behinderungen müssen in Hinblick auf ihre Erwerbstätigkeit häufig einen deutlichen Mehraufwand erbringen und zudem insgesamt mehr Nachteile in Kauf nehmen als unbeeinträchtigte Kollegen. Um diesen strukturellen Nachteil auszugleichen, hat der Gesetzgeber eine Reihe von Regelungen geschaffen, die besondere Schutzrechte für Schwerbehinderte vorsehen.
Behinderte Menschen (und damit auch Schwerbehinderte) werden zunächst durch Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) vor Benachteiligung geschützt. Darüber hinaus sichert das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) die Rechte aller Menschen mit einer Behinderung. Zusätzlich werden Schwerbehinderte aber auch durch das Neunte Buch des Sozialgesetzbuches (SGB IX) geschützt. Diese Regelungen betreffen insbesondere den Sonderkündigungsschutz, das Verbot der Mehrarbeit, den Anspruch auf gesetzlichen Zusatzurlaub sowie eine eigene betriebliche Interessenvertretung, die sogenannte Schwerbehindertenvertretung.
Schwerbehinderung und Kündigungsschutz
Aus der Schwerbehinderung eines Arbeitnehmers folgt ein Sonderkündigungsschutz. Schwerbehinderte und Gleichgestellte sind zwar nicht generell unkündbar – soll einem schwerbehinderten Arbeitnehmer gekündigt werden, benötigt der Arbeitgeber jedoch die vorherige Zustimmung des Integrationsamtes. Dabei wird insbesondere geprüft, inwieweit das Kündigungsbegehren mit der Behinderung des Arbeitnehmers in Zusammenhang steht. Erteilt der Arbeitgeber die Kündigung ohne vorab die erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes einzuholen, so ist die Kündigung nicht wirksam. Der betroffene Arbeitnehmer ist für die Geltendmachung der fehlenden Zustimmung auch nicht an die ansonsten geltende dreiwöchige Frist nach dem Kündigungsschutzgesetz gebunden.
Stimmt das Integrationsamt der Kündigung zu, folgt daraus nicht zwangsläufig, dass die Kündigung im Übrigen arbeitsrechtlich wirksam ist. Arbeitnehmern steht es also auch in dieser Konstellation frei, die Kündigung arbeitsgerichtlich überprüfen zu lassen.
Zudem ist vor jeder Kündigung eines schwerbehinderten Mitarbeiters die Schwerbehindertenvertretung – sofern eingerichtet – zu beteiligen. Diese gesetzliche Anforderung gilt auch für Gleichgestellte und muss auch innerhalb der sechsmonatigen Probezeit beachtet werden.
Schwerbehinderung und Überstunden
Die Schwerbehinderung schützt den Arbeitnehmer davor, vom Arbeitgeber zur Leistung von Mehrarbeit (Überstunden) verpflichtet zu werden.
Schwerbehinderung und Zusatzurlaub
Schwerbehinderte Arbeitnehmer sind im Erwerbsleben regelmäßig einer stärkeren Belastung ausgesetzt. Daher steht ihnen nach § 208 SGB IX ein zusätzlicher Urlaubsanspruch von fünf Urlaubstagen zu. Dabei ging der Gesetzgeber von fünf Arbeitstagen pro Woche aus, sodass sich der Urlaubsanspruch anteilig verringert, wenn der Arbeitnehmer seine Tätigkeit an weniger als fünf Tagen in der Woche ausübt.
Die Gleichstellung erfasst den zusätzlichen Urlaubsanspruch nicht, sodass gleichgestellte Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Zusatzurlaub haben. Dies ergibt sich aus § 158 Absatz 3 SGB IX.
Innerbetriebliche Schwerbehindertenvertretung
Die Schwerbehindertenvertretung soll die besonderen Belange der schwerbehinderten Arbeitnehmer innerhalb des Betriebes vertreten, ihre Rechte wahren sowie beratend zur Seite stehen. Sind in einem Betrieb mindestens fünf schwerbehinderte Arbeitnehmer oder ihnen Gleichgestellte dauerhaft beschäftigt, ist ab einer Betriebsgröße von 100 Mitarbeitern eine Schwerbehindertenvertretung zu wählen.
Schwerbehinderung und Arbeitsplatzgestaltung
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, für eine behindertengerechte Gestaltung des Arbeitsplatzes Sorge zu tragen. Je nach der Art der Behinderung muss er den Arbeitsplatz eines schwerbehinderten Mitarbeiters mit den notwendigen technischen Arbeitshilfen ausstatten. Dabei variieren die eingesetzten Hilfsmittel je nach Beschäftigungsfeld. Während Mitarbeiter, die hauptsächlich Bürotätigkeiten ausüben, von der Bereitstellung spezieller Programme, Bildschirme und Tastaturen und Büromöbeln profitieren können, kommt es in handwerklichen Betrieben eher auf die sichere Bedienung der Maschinen an.
Generell hat ein schwerbehinderter Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine Beschäftigung, in deren Rahmen seine Kenntnisse und Fähigkeiten möglichst zur vollen Entfaltung gelangen und zudem weiterentwickelt werden können. Nimmt die Leistungsfähigkeit eines Schwerbehinderten im Laufe der Zeit hingegen ab, so kann er einen Schonarbeitsplatz beanspruchen. Darüber hinaus muss der Arbeitgeber bei den Arbeitszeiten besondere Rücksicht nehmen – ist es einem Beschäftigten mit Behinderung nicht (mehr) möglich, in Vollzeit tätig zu sein, so ist eine Tätigkeit in Teilzeit zu ermöglichen.
Schwerbehinderung und Bewerbung
Schon im Bewerbungsverfahren ergeben sich für Schwerbehinderte häufig unangenehme Situationen, etwa wenn im Bewerbungsgespräch nach einer (Schwer-)Behinderung gefragt wird. Dabei gilt, dass vor einem Vorstellungsgespräch, sowie während des Gesprächs und auch innerhalb der ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses die Frage nach dem Vorliegen einer Schwerbehinderung unzulässig ist. Wird sie trotzdem gestellt, haben Bewerber das Recht, die Frage unrichtig zu beantworten, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen.
Nach sechsmonatiger Beschäftigung ist die Frage nach der Schwerbehinderung wiederum zulässig. Dies ergibt sich schon daraus, dass nur so sichergestellt werden kann, dass ein Arbeitgeber die geltenden rechtlichen Vorgaben – etwa die Beachtung des besonderen Kündigungsschutzes oder die Gewährung von Zusatzurlaub – einhalten kann.
Was müssen Arbeitgeber bei der Bewerbersuche beachten?
Arbeitgeber dürfen einen schwerbehinderten Bewerber bei der Stellenbesetzung nicht wegen seiner Behinderung benachteiligen. Dies ergibt sich aus § 1 AGG. Haben Arbeitgeber eine Stelle zu besetzen, so ist zu prüfen, ob die Position möglicherweise mit einem geeigneten Schwerbehinderten besetzt werden kann.
Öffentliche Arbeitgeber sind darüber hinaus verpflichtet, schwerbehinderte Bewerber zum Gespräch einzuladen. Eine Einladung zum Vorstellungsgespräch darf nur dann unterbleiben, wenn dem Bewerber „die fachliche Eignung offensichtlich fehlt“. Diese fehlende Eignung ist nur dann gegeben, wenn der Bewerber solchen Anforderungen nicht entspricht, die in einer öffentlichen Stellenausschreibung enthalten sind.
Ist der Bewerber grundsätzlich geeignet und unterlässt es der Arbeitgeber, ihn zum Bewerbungsgespräch einzuladen, so ist dies ein Indiz im Sinne von § 22 AGG für eine behinderungsbedingte Diskriminierung. Gelingt es dem Arbeitgeber nicht, die Vermutung, dass der Bewerber aufgrund seiner Behinderung nicht eingestellt wurde, zu widerlegen, kann er zur Zahlung einer Entschädigung gemäß § 15 Absatz 2 AGG verpflichtet sein.
Hier zeigt sich, dass sich insbesondere Arbeitgeber mit den geltenden Vorschriften vertraut machen und diese sorgfältig einhalten sollten, um Schadensersatzforderungen erfolgloser Bewerber vermeiden zu können. Arbeitnehmer hingegen sollten ihre Rechte kennen und diese bei einer behinderungsbedingten Diskriminierung auch durchsetzen.
In sämtlichen arbeitsrechtlichen Fragen rund um das Thema Schwerbehinderung im Arbeitsverhältnis beraten wir – Dr. Granzin Rechtsanwälte – sie kompetent und zuverlässig mit unserer langjährigen Erfahrung als Fachanwälte für Arbeitsrecht.
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