Ins Bett oder ins Büro? Die Arbeitsunfähigkeit im Arbeitsverhältnis

Das Wetter ist kalt und grau; Erkältungsviren haben Hochsaison – ohne Schnupfen oder Grippe kommt kaum jemand durch den Winter. Manch einer bleibt schon bei kleineren Wehwehchen prophylaktisch zu Hause, andere schleppen sich noch mit Fieber ins Büro. In dieser Zeit spielt die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit daher eine besonders wichtige Rolle. Wir geben im folgenden Beitrag einen Überblick über die Rechte und Pflichten, die mit der Arbeitsunfähigkeit verbunden sind. 

Spannungsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber 

Kein Arbeitnehmer ist davor gefeit, im Laufe seines Arbeitslebens zwischenzeitlich zu erkranken. Da er die Erkrankung in aller Regel nicht verschuldet hat, wird er vom Gesetz geschützt, indem das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) den Grundsatz „ohne Arbeit keinen Lohn“ durchbricht. 
In aller Regel sind Arbeitgeber verpflichtet, das Gehalt weiter zu zahlen, obwohl der Mitarbeiter seiner vertraglich vereinbarten Arbeitspflicht nicht nachkommen kann. Im Hinblick auf die üblichen laufenden Kosten – wie etwa Miete, Unterhalt, Leasing- oder Finanzierungsraten – ist es für Arbeitnehmer natürlich extrem wichtig, auch im Krankheitsfall regelmäßig ihr Gehalt zu bekommen. 

Für den Arbeitgeber stellen arbeitsunfähig erkrankte Mitarbeiter in erster Linie eine Belastung dar: Durch den Ausfall werden Störungen im Betriebsablauf verursacht, Kollegen müssen einspringen, um die Aufgaben des Erkrankten zu übernehmen. Insbesondere wiederholte Kurzzeiterkrankungen können das Arbeitsverhältnis daher belasten und gegebenenfalls ein gewisses Misstrauen des Arbeitgebers verursachen. Aus diesem Spannungsfeld resultieren dann nicht selten Rechtsstreitigkeiten über die Angemessenheit und Rechtmäßigkeit des Verhaltens von Arbeitnehmer und Arbeitgeber. 

Was versteht man unter dem Begriff der Arbeitsunfähigkeit?  

Die Inhalte des § 3 Absatz 1 EFZG regeln, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit ein Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall hat. 

Zunächst muss eine Erkrankung des Arbeitnehmers vorliegen. Nach der Definition der Rechtsprechung versteht man hierunter einen „regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand, der eine Heilbehandlung erforderlich macht“. 

Weiterhin muss eine Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers gegeben sein, wobei die Erkrankung die alleinige Ursache für die Arbeitsunfähigkeit sein muss. Dies ist der Fall, wenn aufgrund von Krankheit die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit nicht oder nur unter der Gefahr einer Verschlimmerung der Erkrankung ausgeführt werden kann. Das bedeutet: Nur krank zu sein, reicht nicht aus, um arbeitsunfähig krankgeschrieben zu werden. 

Zu guter Letzt darf der Arbeitnehmer seine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nicht verschuldet haben. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht daher nicht, wenn der Arbeitnehmer auf grobe Weise gegen das von einem verständigen Arbeitnehmer zu erwartende Verhalten verstößt. Beispielhaft sind hier etwa Trunkenheitsfahrten oder Nichtbeachtung der Gurtpflicht zu nennen, jedoch sind auch weitere, völlig unvernünftige oder stark gefahrgeneigte Verhaltensweisen (wie z.B. Extremsport) denkbar, die es ungerechtfertigt erscheinen lassen, die Folgen auf den Arbeitgeber abzuwälzen. 

Wann müssen sich Arbeitnehmer krankmelden?

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, besteht ein sechswöchiger Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Entgeltfortzahlung. Sind die sechs Wochen abgelaufen, können Arbeitnehmer von der Krankenkasse das sogenannte Krankengeld beanspruchen. 

Arbeitnehmer sind gesetzlich verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit als solche sowie deren voraussichtliche Dauer „unverzüglich“ anzuzeigen. Spätestens zu Beginn der Arbeitszeit am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit muss der Arbeitgeber informiert sein – nur so ist gewährleistet, dass alsbald Ersatz für den erkrankten Mitarbeiter organisiert werden kann. 

Eine gesetzliche Regelung dazu, in welcher Form die Krankmeldung zu erfolgen hat, gibt es nicht. Somit hat der Arbeitnehmer die Wahl, ob er den Chef per E-Mail, Telefon oder SMS bzw. WhatsApp informiert, es sei denn, der Arbeitgeber hat hierzu abweichende Vorgaben geschaffen.

Ab wann darf der Arbeitgeber ein Attest verlangen?

Nach dem Willen des Gesetzgebers muss der Arbeitnehmer zur Erfüllung der Regelung aus § 5 Absatz 1 EFZG am dem vierten Tag seiner Erkrankung eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen. 

Aber aufgepasst: Häufig wird in Arbeitsverträgen oder sonstigen Anweisungen mit einer gesonderten Regelung von der gesetzlichen Ausgangslage abgewichen, sodass Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung früher und teilweise schon am ersten Krankheitstag vorlegen müssen. Dies muss in der Regel nicht persönlich erfolgen, sondern kann per Fax oder E-Mail erledigt werden. Diese vom Gesetz abweichenden Vorgaben sollten dabei unbedingt beachtet werden. Denn hat sich ein Mitarbeiter krankgemeldet und legt kein entsprechendes ärztliches Attest vor, so verstößt er gegen die Nachweispflicht. Der Arbeitgeber darf die Entgeltfortzahlung zurückhalten, bis der Arbeitnehmer seiner Nachweispflicht nachkommt. Außerdem ist der Regelverstoß abmahnungswürdig. Wurde der Mitarbeiter in der Vergangenheit bereits einschlägig abgemahnt, kann ein Verstoß gegen die Nachweispflicht unter Umständen sogar eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen.  

Wird die Diagnose dem Arbeitgeber mitgeteilt? 

Arbeitnehmer sind nicht verpflichtet, ihrem Arbeitgeber zu sagen, woran sie erkrankt sind. Auf der Ausfertigung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die der Arbeitgeber erhält, ist die Diagnose nicht vermerkt. Nur die Krankenkasse erhält eine Bescheinigung mit einem Diagnoseschlüssel.

 Kann man sich rückwirkend krankschreiben lassen?

Manchmal ist eine Erkrankung so heftig, dass der betroffene Arbeitnehmer keinen Arztbesuch bewältigen kann. Dabei hält sich hartnäckig der Irrtum, dass eine rückwirkende Krankschreibung nicht möglich ist. Zwar gilt grundsätzlich, dass der behandelnde Arzt die Arbeitsunfähigkeit erst ab dem Tag bescheinigen kann, an dem der Arbeitnehmer ihn aufgesucht hat. Jedoch ist ausnahmsweise eine Rückdatierung der Arbeitsunfähigkeit auf maximal drei Tage möglich. Dabei muss für den Arzt aber nachvollziehbar sein, dass der Arbeitnehmer bereits in den Tagen zuvor arbeitsunfähig und zum Arztbesuch außerstande war. 

Darf ein krankgeschriebener Mitarbeiter vorzeitig zurückkommen?

Geht die Genesung schneller voran als erwartet, steht einer frühzeitigen Rückkehr des Arbeitnehmers nichts im Weg. Im Gegenteil muss der Mitarbeiter sogar zur Arbeit zurückkehren, wenn er wieder arbeitsunfähig ist – und zwar auch dann, wenn seine Krankschreibung eigentlich noch gilt. Denn die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gibt lediglich die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit an. Ist der Arbeitnehmer gesundheitlich schon früher wieder völlig hergestellt, gelten die tatsächlichen Verhältnisse. 

Darf man bei einer Krankschreibung das Haus verlassen?

Arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer sind selbstverständlich nicht an die eigenen vier Wände gefesselt. Schließlich gilt es, gegebenenfalls Medikamente oder Lebensmittel einzukaufen. Aber nicht nur notwendige Besorgungen rechtfertigen den Weg ins Freie: Auch Freizeitbetätigungen sind erlaubt, solange sie die Heilung nicht verzögern. Ein Waldspaziergang z.B. kann im Erkältungsfalle der Genesung zuträglich sein, die Nutzung der Krankschreibung für eine Haussanierung bei der Diagnose Bandscheibenvorfall hingegen ersichtlich nicht. In diesem Fall hat der Arbeitnehmer mit gravierenden Konsequenzen – bis hin zur fristlosen Kündigung – zu rechnen.

Welche Rechte hat der Arbeitgeber bei Zweifeln? 

Es sind zahlreiche Umstände denkbar, die ein gewisses Misstrauen des Arbeitgebers auf den Plan rufen können. Wirkt etwa ein krankgeschriebener Mitarbeiter auf seinen Kanälen in den sozialen Netzwerken putzmunter beim Sport oder Feiern oder fällt die Arbeitsunfähigkeit immer wieder auf einen Tag am Anfang oder Ende der Arbeitswoche, so fällt dies womöglich unter das sogenannte „Krankfeiern“. 

Kann der Arbeitnehmer ein Attest vorweisen, dürfte es dem Arbeitgeber aber schwerfallen, ihn zu überführen. Der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt ein hoher Beweiswert zu. Der Arbeitgeber kann sich jedoch an den medizinischen Dienst der Krankenversicherung wenden. Bei entsprechenden Anhaltspunkten wird die Krankenkasse eine Überprüfung des Zustands in die Wege leiten. 

Zu Hause bleiben oder arbeiten? 

Die Entscheidung, bei einer Erkrankung zu arbeiten oder sich lieber ins Bett zu legen, muss letztendlich jeder für sich selber treffen. Dabei gilt es neben allem Pflichtbewusstsein jedoch auch die möglichen Nachteile zu betrachten. Wer ohnehin nicht leistungsfähig ist, sollte lieber zu Hause bleiben und sich gründlich auskurieren, ehe er womöglich sämtliche Kollegen ansteckt und auf diese Weise dem Betrieb mehr schadet als nutzt. 

Sollten Sie Fragen zur krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit haben oder rechtlichen Beistand bei Streitigkeiten aufgrund krankheitsbedingten Arbeitsausfalles haben, sind wir – Dr. Granzin Rechtsanwälte – als Fachanwälte für Arbeitsrecht der richtige Ansprechpartner für Sie.

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