Recht und billig – Arbeit hinter Gittern

Nie war Arbeit wichtiger als heute: Der Beruf ist ein bdeutender Indikator für sozialen Status und für einen Job die Stadt, das Land oder sogar den Kontinent zu verlassen, gehört mittlerweile zum Standard. Diese Einstellung macht auch vor dem Strafvollzug nicht halt. In deutschen Gefängnissen gehen viele Häftlinge einer Arbeit nach. Das soll dem Tag Struktur geben und bei der Resozialisierung helfen. Das Geschäft mit der Arbeit hinter Gittern floriert, nicht zuletzt deshalb, weil die Gefangenen zu Niedrigstlöhnen arbeiten.  Viele Justizvollzugsanstalten sind mittlerweile zu regelrechten Großbetrieben geworden, namhafte Konzerne aus der privaten Wirtschaft oder deren Zulieferer vergeben Aufträge an die Gefängnisinsassen.

Arbeiten im Gefängnis

In Deutschland gibt es über 60.000 Strafgefangene, ein großer Teil von ihnen ist zur Arbeit verpflichtet. In § 41 Abs. 1 des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) heißt es: „Der Gefangene ist verpflichtet, eine ihm zugewiesene, seinen körperlichen Fähigkeiten angemessene Arbeit, arbeitstherapeutische oder sonstige Beschäftigung auszuüben, zu deren Verrichtung er auf Grund seines körperlichen Zustands in der Lage ist. Er kann jährlich bis zu drei Monate zu Hilfstätigkeiten in der Anstalt verpflichtet werden, mit seiner Zustimmung auch darüber hinaus.“

Gefangene über 65, Schwangere und stillende Mütter müssen nicht arbeiten. Für Personen in Sicherheitsverwahrung gilt die Arbeitspflicht ebenfalls nicht. Gefangene, die zu einer wirtschaftlichen Mehrwert schaffenden Arbeit nicht fähig sind, nehmen an arbeitstherapeutischen Maßnahmen teil. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, an beruflichen Fortbildungsmaßnahmen teilzunehmen. Die Arbeit im Gefängnis soll qualifizieren und einen Beitrag zur Resozialisierung leisten. Verweigert ein Häftling die Arbeit, können ihm Disziplinarmaßnahmen oder eine Taschengeldsperre drohen. In der Realität sieht es oft allerdings eher so aus, dass längst nicht allen arbeitswilligen Häftlingen auch eine Arbeit zugewiesen werden kann. Nach einem Jahr Arbeit im Gefängnis, stehen jedem Gefangenen pro Jahr 18 arbeitsfreie Tage zu. Für diese Tage wird der Lohn fortgezahlt

Seit der Föderalismusreform von 2006 fällt der Strafvollzug in Deutschland in die Gesetzgebungskompetenz der Länder. Einige von ihnen, nämlich Sachsen, Brandenburg, Rheinland-Pfalz und das Saarland, haben die Arbeitspflicht für Gefangene jedoch mittlerweile abgeschafft, weitere Bundesländer denken über diesen Schritt nach.

Unternehmen Knast?

Günstige Produktionsstandorte, eine große Reserve an Arbeitskräften, keine Streiks: Deutsche Gefängnisse haben interessierten Unternehmen zahlreiche Vorteile zu bieten. Die hergestellten Produkte gehen an Behörden, Schulen oder Gerichte. Aber längst zählen nicht nur öffentliche Einrichtungen zu den Kunden der JVAs. Gefängnisse betreiben mittlerweile Werkstätten für Metall- und Holzbau, Lackierereien, Druckereien und andere Betriebe, deren Arbeit auch von namhaften Konzernen wie Volkswagen, Miele oder Gardena gerne in Anspruch genommen wird. Die staatliche Dumping-Konkurrenz bereitet mit ihren kaum zu unterbietenden Preisen auch der Konkurrenz außerhalb der Gefängnisse Schwierigkeiten.

Aber ist die Arbeit im Gefängnis nun Ausbeutung oder bedeutet sie vielleicht eher den ersten Schritt zurück in ein geregeltes Leben? Viele Häftlinge gehen gerne einer Tätigkeit nach, da dies dem Tag Struktur gibt und zudem das Gefühl verleiht, produktiver Teil der Gesellschaft zu sein – auch hinter schwedischen Gardinen. Sogar in der freien Wirtschaft eher unbeliebte Tätigkeiten sind im Gefängnis begehrt, nicht zuletzt deshalb weil die Alternative zum Arbeiten lautet: 23 Stunden am Tag in der Zelle zu verbringen.

Die Löhne sind niedrig, die Häftlinge verdienen zwischen 10 und 15 Euro als Tagessatz, je nach Tätigkeit und Qualifikation. Aber selbst ein Spitzenlohn im Gefängnis liegt auf eine Stunde umgerechnet weit unter dem in Deutschland eigentlich geltenden Mindestlohn von € 8,84 pro Stunde. Ein Häftling aus der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel wollte sich damit nicht zufrieden geben und versuchte im Mai 2015 den damals geltenden Mindestlohn von € 8,50 pro Stunde einzuklagen – allerdings ohne Erfolg. „Als Strafgefangener erbringt der Antragsteller Arbeitsleistungen im Holzverarbeitungsbetrieb der Justizvollzugsanstalt im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses und nicht aufgrund eines geschlossenen Arbeitsvertrags“, entschied damals das Landgericht Hamburg. Gegen ein klassisches Arbeitsverhältnis spricht auch, dass der Vollzug selber mit Kosten verbunden ist. Die Häftlinge müssen wohnen, essen und bewacht werden. Das ist teuer: Zwischen 90 und 130 Euro kostet ein Strafgefangener am Tag.

Nichtsdestotrotz stellt das geringe Arbeitsentgelt für viele Häftlinge neben dem Freiheitsentzug eine zusätzliche Strafe dar. Und auch ihr ohnehin schon schmales Salär erhalten die Gefangenen nicht in voller Höhe ausbezahlt. Vier Siebtel des Gehalts werden „zwangsgespart“, also direkt abgezweigt und als sogenanntes Überbrückungsgeld für die Zeit nach der Entlassung zurückbehalten. Damit soll sichergestellt werden, dass die Häftlinge sich nicht völlig ohne Geld in Freiheit wiederfinden. Die verbleibenden drei Siebtel können in den Gefängnisläden ausgegeben werden.

Nach dem Gefängnis in die Altersarmut?

Die niedrigen Löhne hinter Gittern sind aber noch aus anderer Sicht problematisch. Zwar werden die Gefangenen arbeitslosenversichert, sie zahlen aber nichts in die Rentenkassen ein. Insbesondere bei langjährigen Haftstrafen können die fehlenden Rentenansprüche dramatische Konsequenzen für die Betroffenen haben. Rentenabgaben auch für Arbeit in Gefängnissen werden schon lange gefordert: Bereits 1977 wurde im Zuge der Strafrechtsreform die notwendige Änderung des Sozialgesetzbuches beschlossen, allerdings bis heute nicht umgesetzt. Hierbei handelt es sich vor allen Dingen um eine Kostenfrage, denn allein eine Bemessungsgrenze festzulegen wäre schwierig. Bei tatsächlichen Stundensätzen von 2 bis 3 Euro, müssten vermutlich fiktive Bemessungsgrenzen zugrunde gelegt werden, um einen entsprechenden Wert für die Rentenversicherungsbeiträge zu ermitteln. Die im Schnitt ohnehin niedrigen Renten der Inhaftieren dürften ansonsten kaum steigen. Bis Dezember dieses Jahres soll zunächst geklärt werden, wie teuer eine Rentenversicherung für Strafgefangene den Staat käme. Geschätzt werden die Kosten auf ca. 15 Millionen Euro im Jahr. Bis zu einer tatsächlichen Entscheidung dürfte es in dieser Frage demnach noch eine Weile dauern.

Gewerkschaft für Gefangene

Einen Mindestlohn für Inhaftierte und Einzahlung in die Rentenversicherung während der Haftzeit – dies sind auch die beiden zentralen Forderungen der 2014 gegründeten Gefangenengewerkschaft. Die bundesweite „Gefangenen-Gewerkschaft Bundesorganisation“ (GG/BO) zählt mittlerweile nach eigenen Angaben um die 1000 Mitglieder und ist in über 80 deutschen Haftanstalten vertreten.

Die Schwierigkeit bei einer Gewerkschaft für Häftlinge ist allerdings die bei einer so heterogenen Gruppe fehlende Tariffähigkeit. Da hinter Gittern die Grundrechte eingeschränkt werden, könnten die Gefangenen ihre Forderungen auch nicht mittels Streik durchsetzen. Daher kann man bei der GG/BO strenggenommen nicht von einer Gewerkschaft im traditionellen Sinne sprechen kann. Dennoch hat sich die Vereinigung doch immerhin die Berufung auf die Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit erstreiten können und ist weiterhin darum bemüht, geltende Mindeststandards auch auf Häftlinge zu erstrecken. Es bleibt also abzuwarten, ob die Niedriglöhne im Gefängnis weiterhin in gleicher Form bestehen bleiben oder ob sich noch weitere Bundesländer dafür entscheiden, die Arbeitspflicht im Strafvollzug komplett abzuschaffen.

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