NSU-Prozess - Lebenslang für Beate Zschäpe

NSU-Prozess – Lebenslang für Beate Zschäpe

Nach 437 Verhandlungstagen fiel das Urteil des Oberlandesgerichtes (OLG) München: Beate Zschäpe muss lebenslang in Haft. Zehnfacher Mord, mehrfacher versuchter Mord, Raubüberfall, schwere Brandstiftung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung – all dessen hat Zschäpe sich nach Ansicht des Senats schuldig gemacht. Zwar war Zschäpe selbst an keinem der Tatorte anwesend, dennoch wurde sie als Mittäterin an den Morden und Gewalttaten verurteilt. Zudem wurde die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Mit diesem Urteil folgte das Gericht weitgehend dem Antrag der Bundesanwaltschaft. Eine anschließende Sicherungsverwahrung wurde jedoch – anders als beantragt – nicht angeordnet. Zschäpes Verteidiger hingegen hatten den Freispruch von allen Morden und Anschlägen gefordert. Sie wollen gegen die Verurteilung ihrer Mandantin Revision zum BGH einlegen.

Worum ging es im Prozess?

1998 hatte sich die rechte Vereinigung NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) gebildet. Sie bestand aus Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Die Gruppe verübte mehrere Anschläge auf Menschen mit Migrationshintergrund, insgesamt zehn Morde gingen auf das Konto des NSU. Neun davon aus rassistischen Beweggründen, einer an einer deutschen Polizistin. Zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts beging die im Untergrund lebende Gruppe insgesamt 15 Raubüberfalle auf Sparkassen, Supermärkte und Postfilialen. Nach einem solchen Überfall wurden Mundlos und Böhnhardt 2011 schließlich von der Polizei entdeckt. Nachdem Mundlos darauf zunächst Böhnhardt und dann sich selbst erschoss, blieb nur ein Mitglied der Gruppe übrig. Nach vier Tagen auf der Flucht stellte sich Beate Zschäpe dann schließlich der Polizei.

Mehr als nur eine Gehilfin

Zschäpe wurde nicht als Gehilfin der beiden Männer verurteilt, sondern als Mittäterin. Nach der Rechtsprechung des BGH sind für die Annahme einer Mittäterschaft weder Anwesenheit am Tatort noch eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst erforderlich. Ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, etwa im Vorbereitungsstadium der Tat. Ob dieser Beitrag nach dem Willen des Mitwirkenden als Teil der Tätigkeit aller Beteiligten gewollt ist, muss im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung ermittelt werden. Dabei kann unter anderem an den Grad des Interesses am Taterfolg, den Umfang der Beteiligung, die tatsächliche Tatherrschaft oder zumindest den Willen dazu angeknüpft werden.

Tatbeiträge von essentieller Bedeutung

Das Gericht ging davon aus, dass den Taten ein gemeinsamer Tatplan zugrunde lag – Zschäpe habe sich gemeinsam mit Mundlos und Böhnhardt zur Begehung entschlossen. Zwar sollten die Taten vor Ort von den beiden Männern begangen werden, aber Zschäpe habe dennoch „wesentliche und unverzichtbare Tatbeiträge“ zu den Morden, Sprengstoffattentaten und Raubstraftaten geleistet. Die Taten seien nur mit Zschäpes Mitwirkung im Hintergrund möglich gewesen und alle drei Mitglieder der Gruppierung hätten gleich großes Interesse an den Taterfolgen gehabt.

So half Beate Zschäpe etwa, die Aktivitäten der Gruppe zu verschleiern, indem sie falsche Ausweise besorgte und auch für die Tarnung im Untergrund sorgte. Sie sollte nach außen hin ein möglichst harmloses Bild zeichnen. Zudem verwaltete sie die Finanzen der Gruppierung, beschaffte eine Waffe und spähte zumindest in einem Fall im Vorfeld mögliche Tatorte aus.

Sie sollte aber besonders auch im Fall eines missglückten Anschlags oder Überfalls eine wichtige Rolle spielen. Drohte eine Verhaftung, wollten Mundlos und Böhnhardt Selbstmord begehen, während Beate Zschäpe nach dem Tod der beiden die im Vorfeld erstellten Bekenner-Videos verbreiten sollte. Zschäpe soll also von allen Taten nicht nur gewusst, sondern diese auch gewollt und unterstützt haben.

Besondere Schwere der Schuld

Angesichts der Vielzahl der Morde stellte das OLG zudem die besondere Schwere der Schuld fest – dieser Zusatz im Urteil bedeutet, dass eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung nach 15 Jahren Haft rechtlich zwar möglich wäre, aber voraussichtlich so gut wie ausgeschlossen ist. Aus der lebenslangen Freiheitsstrafe könnte Beate Zschäpe erst entlassen werden, wenn von ihr keine Gefahr mehr ausgeht. Daher wäre regelmäßig zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Fortdauer der Haft weiterhin vorliegen. Solange dies zu bejahen wäre, könnte Zschäpe das Gefängnis nicht mehr verlassen.

Keine nachträgliche Sicherungsverwahrung

Auf eine anschließende Sicherungsverwahrung, wie sie von der Bundesanwaltschaft beantragt wurde, verzichtete das OLG jedoch. Unter den gegebenen Umständen sei die Sicherungsverwahrung „nicht unerlässlich“ gewesen, sodass ihre Anordnung unverhältnismäßig gewesen wäre. Denn – wie oben erläutert – kann Zschäpe wegen der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld nach 15 Jahren Haft allenfalls dann entlassen werden, wenn „dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann“. Damit folgt das Gericht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), nach der bei der Anordnung von Sicherungsverwahrung die Verhältnismäßigkeit streng zu beachten ist.

Verteidigung hatte Freispruch gefordert

Zschäpe selbst hatte betont, von den Taten der beiden Männer nichts gewusst oder erst im Nachhinein von ihnen erfahren zu haben. Daher hatten ihre Verteidiger den Freispruch von den ihr zu Last gelegten Morden und Anschlägen gefordert – sie sei weder Mittäterin, noch Gehilfin und daher nur wegen schwerer Brandstiftung und Beihilfe zu mehreren Raubüberfällen zu verurteilen.

Der BGH ist am Zug

Die Verteidiger von Beate Zschäpe haben gegen die Verurteilung ihrer Mandantin bereits Revision eingelegt. Nach Ansicht der Pflichtverteidigerin sei die bisherige Urteilsbegründung „ausgesprochen dünn“, sodass sie die Verurteilung Zschäpes nicht tragfähig begründen könne. Die Pflichtverteidiger Heer, Stahl und Sturm gehen davon aus, dass sich das Urteil des OLG über die in der Vergangenheit ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) zur Mittäterschaft hinwegsetze.

Für die Revisionsbegründung müssen die Verteidiger von Beate Zschäpe sich aber zunächst gedulden – denn dafür wird das schriftliche Urteil benötigt, dass Erwartungen zufolge einige hundert Seiten umfassen wird. Zudem wird sich der Richter alle Mühe geben, sein Urteil möglichst „revisionsfest“ zu machen. Für die Abfassung des Urteils hat er 91 Wochen Zeit, denn gemäß § 275 der Strafprozessordnung (StPO) verlängert sich die Frist mit zunehmender Dauer des Prozesses.

Aber nicht nur die Verteidigung ist mit dem ergangenen Urteil unzufrieden. Vor allem die nicht verhängte Anordnung der anschließenden Sicherungsverwahrung hat bei Angehörigen der Opfer Empörung hervorgerufen.

Eine Überprüfung des Urteils des OLG durch die nächsthöhere Instanz ist somit sicher. Damit wird dann der BGH selbst am Zug sein. Für die Revision im Fall Zschäpe wird zudem der dritte Senat zuständig sein – also genau der Senat, der in der Vergangenheit hohe Anforderungen für Verurteilungen wegen Mittäterschaft aufgestellt hatte. Es lässt sich also erahnen, dass die rechtliche Begründung der Mittäterschaft in diesem Fall letztlich die alles entscheidende Rolle spielen wird. Der Fall Zschäpe ist damit noch längst nicht am Ende.

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