Im Straßenverkehr entspannt zu bleiben, ist oft nicht einfach. Aber auch, wenn einem die Vorfahrt genommen wird oder der Fahrer hinter einem einfach nicht aufhört, zu drängeln – auf keinen Fall sollte man einen Vogel zeigen oder gar mit gestrecktem Mittelfinger seinem Unmut Ausdruck verleihen. Denn Beleidigungen im Straßenverkehr sind kein Kavaliersdelikt, sondern Straftaten. Gegenseitige Beschimpfungen und abfällige Gesten können richtig teuer werden. Wer auf diese Weise seinen Frust abbaut, ärgert sich möglicherweise noch lange über eine saftige Geldstrafe oder muss sogar im Gefängnis seine mangelnde Selbstbeherrschung bedauern. Wir erklären, welche Strafen bei Beleidigungen im Straßenverkehr drohen.
Kein Kavaliersdelikt
Kaum jemand schafft es, durchweg gelassen und friedlich hinter dem Steuer zu sitzen – dafür birgt das Autofahren einfach zu viel Aggressionspotential und selbst alltägliche Verkehrssituationen können in Windeseile eskalieren. Aber was auf viele wie eine vergleichsweise harmlose Methode wirkt, sich schnell einmal abzureagieren, wiegt weitaus schwerer. Bei Entgleisungen hinterm Steuer kann es sich um eine Beleidigung im Sinne von § 185 des StGB (Strafgesetzbuch) handeln – und damit um eine Straftat. Eine Beleidigung wird als vorsätzliche Verletzung der Ehre einer Person durch Kundgebung der Missachtung oder Nichtachtung definiert. Sie ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bedroht.
Wird man handgreiflich, kann es nach dem Gesetz sogar zu einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren kommen.
Kein einheitlicher Strafenkatalog
Was genau die Folge eines verbalen Ausbruchs sein wird, lässt sich nicht konkret vorhersagen. Da es keinen einheitlichen Strafenkatalog gibt, variiert das Strafmaß von Fall zu Fall – wie so oft kommt es also auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. Es gibt aber einige Faktoren, die in diesem Zusammenhang wichtig sind. Dies sind:
- Tonfall
- Zusammenhang
- Person des Beleidigten
Üblicherweise werden bei Beleidigungen im Straßenverkehr Geldstrafen von 20 bis 30 Tagessätzen verhängt. Die Höhe der Geldstrafe wird in Tagessätzen angegeben. Die Tagessatzhöhe wird in Abhängigkeit der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters festgelegt und ergibt sich in der Regel aus seinem monatlichen Nettoeinkommen, welches durch 30 geteilt wird. Je mehr ein Verurteilter verdient, desto mehr bezahlt er also für seinen Temperamentsausbruch. Ein Tagessatz beträgt mindestens einen Euro, die Höchstgrenze liegt bei € 30.000 pro Tag.
Eine Besonderheit gibt es noch: Wird eine Beleidigung auf der Stelle erwidert, kann der Richter gemäß § 199 StGB die Ausfälligkeiten gegeneinander aufrechnen und beide Beteiligte für straffrei erklären. Wenn man Glück hat, lässt sich der Streitpartner also direkt zu einer entsprechenden Reaktion hinreißen.
Was kann bei einzelnen Beleidigungen drohen?
Beleidigungen im Straßenverkehr sind keine Seltenheit, entsprechend häufig müssen sich die Gerichte mit solchen Fällen befassen.
- Wer einen Vogel zeigt, muss mit einer Geldstrafe von 20 bis 30 Tagessätzen rechnen.
- Beim Zeigen des ausgestreckten Mittelfingers drohen sogar bis zu 40 Tagessätze
- Vergleichsweise günstig erscheint da eine herausgestreckte Zunge, die durchschnittlich mit € 150 bestraft wird
- Wer anderen seinen Ärger mit der Scheibenwischergeste verdeutlicht, zahlte in vergangenen Fällen bis zu € 1000
- „A…loch“, „Drecksau“ oder „Wichser“ – auch diese Kraftausdrücke waren mit € 1000 ein teurer Spaß für die jeweils Verurteilen
Wer sich für besonders raffiniert hält und auf indirekte Weise beleidigt, kommt dennoch nicht ungeschoren davon: „Am liebsten würde ich sie jetzt „A…loch“ nennen“ wird ebenso wie die unverblümte Version als Beleidigung angesehen und entsprechend bestraft.
Wird es bei Beamten teurer?
Einen gesonderten Straftatbestand zur „Beamtenbeleidigung“ gibt es nicht – richtig teuer werden kann es in Fällen, in denen sich die Beleidigung gegen Polizisten oder Politessen richtet aber trotzdem. Hier wird selten ein Auge zugedrückt und direkt Anzeige erstattet. Wer einem Ordnungshüter den „Stinkefinger“ zeigt, kann mit bis zu € 4.000 bestraft werden und auch die rausgestreckte Zunge wird mit € 300 doppelt so teuer. Immerhin verkörpern Polizeibeamte die Staatsgewalt, sodass man hier eher nicht mit Nachsicht von Seiten des Richters rechnen sollte.
Auch Aufkleber können übrigens beleidigend sein. Ein Autofahrer verzierte sein Fahrzeug mit einem Sticker, auf dem „Fick dich, Zettelpuppe“ zu lesen war. Eine Politesse fühlte sich davon verunglimpft und der Besitzer des Autos musste für den vermeintlichen Spaß eine Geldstrafe in Höhe von € 600 zahlen.
Kann man auch eine Überwachungskamera beleidigen?
Eine Beleidigung kann auch dann vorliegen, wenn sich der ausgestreckte Mittelfinger gegen das Objektiv einer Kamera zur Videoüberwachung richtet. Die hat zwar selber keine Gefühle – wohl aber der diensttuende Beamte, der hinter dem Monitor sitzt. Geht der Autofahrer also davon aus, dass die Kamera aufzeichnet, kann auch dies eine Beleidigung darstellen
Unter Umständen droht Fahrverbot
Nicht immer hat es bei Beleidigungen im Straßenverkehr mit einer Geldstrafe sein Bewenden. Grundsätzlich kann der Richter zusätzlich noch ein Fahrverbot als Nebenstrafe aussprechen. So erging es einem Autofahrer, der zusätzlich zum „Stinkefinger“ auch noch eine Nötigung durch Überholen und Ausbremsen beging – zu der Geldstrafe wurde noch ein Monat Fahrverbot verhängt. Und so sehr man sich im Verkehr auch manchmal aufregen möchte, ist es im eigenen Auto meistens doch um einiges angenehmer als im überfüllten öffentlichen Nachverkehr. Schon deshalb sollte man sich einen „Ausraster“ also lieber zweimal überlegen.
Keine Punkte mehr
Früher wurden für die Beleidigung im Straßenverkehr außerdem Punkte in Flensburg fällig. Wer diese mehr fürchtet als eine teure Geldstrafe, kann allerdings erleichtert aufatmen: Seit der Punktereform 2014 werden im Fahreignungsregister nur noch sicherheitsrelevante Verstöße erfasst und mit Punkten belegt. Eine Verurteilung wegen Beleidigung im Straßenverkehr wird also nicht mehr eingetragen.
Lohnt sich ein Verfahren überhaupt?
Wer selber Opfer einer Beleidigung ist, fragt sich häufig, ob sich der Aufwand in der Sache überhaupt lohnt. Denn die Beleidigung ist ein sogenanntes Antragsdelikt und wird deshalb nur verfolgt, wenn fristgemäß Strafantrag gestellt wird. Das allein ist kein Hindernis, aber oft lässt sich der Sachverhalt gar nicht aufklären, da Aussage gegen Aussage steht und das Verfahren dann häufig eingestellt wird. Bevor man also den Gang zur Polizei antritt, um Anzeige zu erstatten, sollte man abwägen, wie die Chancen für eine Verurteilung des Kontrahenten stehen. Denn für einen ungewissen Ausgang Zeit und Nerven zu opfern, ist auch nicht das Wahre.
Lieber tief durchatmen
Wer gar nicht erst riskieren will, wegen Beleidigung im Straßenverkehr verfolgt zu werden, sollte in nervenaufreibenden Situationen lieber die Ruhe bewahren. Vielleicht hilft es dabei in Zukunft schon, sich in Gedanken zu überlegen, wie sich der Betrag für eine drohende Geldstrafe sinnvoller und schöner investieren ließe.
Aber auch, wenn Ihr Temperament trotz aller guten Vorsätze mit Ihnen durchgehen sollte, wovon wir selbst nicht frei sind: Wir stehen Ihnen gerne für eine Beratung und Vertretung rund um das Straßenverkehrsrecht zur Seite.
Dr. Granzin Rechtsanwälte
Sei der erste der kommentiert