Gute Nachrichten für Arbeitnehmer: Die Zeiten, in denen der Resturlaub einfach so verfällt, sind vorbei – das entschied kürzlich das Bundesarbeitsgericht.
Arbeitnehmer haben daher möglicherweise noch Gelegenheit, Urlaubsansprüche geltend zu machen, die sie schon längst verfallen glaubten. Was nun für den Urlaubsverfall gilt und was die neue Rechtsprechung für Arbeitgeber bedeutet, erklären wir im folgenden Beitrag:
Richtungswechsel in der Rechtsprechung
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat seine bisherige Rechtsprechung zum Verfall von Urlaubsansprüchen grundlegend geändert: Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub verfällt am Jahresende nicht mehr allein deshalb, weil der Arbeitnehmer keinen Urlaub beantragt hat. Der gesetzliche Urlaubsanspruch erlischt nunmehr in der Regel nur noch dann, wenn der Arbeitnehmer seinen Anspruch kannte, in der Lage war, den Urlaub rechtzeitig zu nehmen und von seinem Arbeitgeber über den drohenden Verlust nicht genommener Urlaubstage aufgeklärt wurde.
Der Streit um Urlaubsabgeltung
In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Streitfall ging es um Ansprüche auf Urlaubsabgeltung. Geklagt hatte ein Wissenschaftler, der von 2001 bis 2013 bei der Max-Planck-Gesellschaft in München tätig war.
Etwa zwei Monate vor dem Ende seines Arbeitsverhältnisses wurde der Kläger von seinem Arbeitgeber gebeten, seinen Resturlaub zu nehmen – hierzu verpflichtet wurde er allerdings nichts. Der Kläger nahm lediglich zwei der ihm zustehenden Urlaubstage und beantragte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Abgeltung der von ihm nicht genommenen 51 Urlaubstage aus den Jahren 2012 und 2013. Als dies ohne Erfolg blieb, verklagte er seinen ehemaligen Arbeitgeber und bekam vor dem Arbeitsgericht München sowie dem Landesarbeitsgericht München als Berufungsinstanz Recht.
Das BAG schließlich legte den Fall dem Gerichtshof der Europäischen Union in einem Vorabentscheidungsverfahren vor.
Umsetzung der Vorgaben des Gerichtshofs
Artikel 7 Abs. 1 der europäischen Arbeitszeit-Richtlinie fordert ausdrücklich, dass jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindesturlaub von vier Wochen erhält. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes darf der Urlaub nicht allein aus dem Grund verfallen, dass der Arbeitnehmer ihn nicht beantragt hat. Vielmehr ist es Sache des Arbeitgebers sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub zu verwirklichen.
Diese Rechtsprechung nahm das BAG zum Anlass, § 7 Abs. 3 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) nunmehr richtlinienkonform auszulegen. Denn die Vorschrift sieht ihrem Wortlaut nach vor, dass Urlaub, der bis zum Ende des Jahres nicht gewährt und genommen wird, verfällt.
Nach neuer, richtlinienkonformer Auslegung tritt der Verfall von Urlaubsansprüchen in der Regel nur ein, wenn
- der Arbeitgeber den Arbeitnehmer konkret aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen und
- er klar und rechtzeitig darauf hingewiesen hat, dass der Urlaubsanspruch ansonsten verfällt.
Neue Aufgaben für Arbeitgeber
Damit ist der Verfall von Urlaubsansprüchen nach Ansicht der Luxemburger Richter zwar nicht generell ausgeschlossen. Den Arbeitgeber trifft aber die „Initiativlast“ für die Verwirklichung des Urlaubsanspruches.
Wie der Streitfall des gegen die Max-Planck-Gesellschaft klagenden Wissenschaftlers ausgeht, ist derzeit noch offen: Das BAG hat den Fall an das zuständige Landesarbeitsgericht München zurückverwiesen. Das LAG hat jetzt zu klären, ob der Arbeitgeber die vom BAG festgelegten Obliegenheiten erfüllt hat.
Lohnender Blick in die Vergangenheit?
Da die für den Arbeitnehmer nachteilige Rechtsfolge des „Vergessens“ von Urlaubsansprüchen künftig also nur unter engeren Voraussetzungen eintritt, sollte man sich nicht wundern, wenn der Arbeitgeber in Zukunft vehement auf die noch nicht genommenen Urlaubstage aufmerksam macht und dazu drängt, den Urlaub auch tatsächlich zu nehmen.
Arbeitgeber sind allerdings nicht dazu verpflichtet, zum Ende des Kalenderjahres ihre vergesslichen Angestellten von sich aus in den Urlaub zu schicken. Kommt der Arbeitgeber seinen Obliegenheiten nach und nimmt der Arbeitnehmer den Urlaub aus freien Stücken dennoch nicht, erlischt der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub.
Aber nicht nur die Zukunft der Urlaubspraxis ist berührt – Arbeitnehmer sollten daher auf jeden Fall prüfen, ob nicht vielleicht doch noch Anspruch auf Urlaub besteht, der nach alter Rechtslage bereits verfallen war. Sollten Sie rund um dieses Thema rechtliche Beratung und Vertretung benötigen, sind wir – Dr. Granzin Rechtsanwälte – der richtige Ansprechpartner und stehen Ihnen als Fachanwälte für Arbeitsrecht jederzeit zur Seite.
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