Fortbildungsrechte und -kosten des Betriebsrates

Die umfassende Aufgabenregelung des Betriebsrates findet sich in § 80 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Zusammengefasst ergibt sich daraus die  Aufgabe des Betriebsrates, sich der Belange der Arbeitnehmer anzunehmen und für geeignete Maßnahmen zur Durchsetzung dieser zu sorgen.

Für die Arbeit als Betriebsratsmitglied ist rechtliches Wissen unablässig, schließlich hat der Betriebsrat zahlreiche Aufgaben und weitreichende Mitbestimmungsrechte. Er muss der Belegschaft im Rahmen seines Mandates auf rechtlicher Ebene ebenso standhalten können wie dem Arbeitgeber. Erlangt werden diese Kenntnisse im Rahmen von Schulungen und zwar nicht nur am Anfang mit Aufnahme des Betriebsratsmandats, sondern vielmehr üblicherweise stetig.

Die Grundlage für diese Wissenserlangung bildet das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) selbst. Aus § 37 Absatz 6 ergibt sich ein Freistellungsanspruch für das Betriebsratsmitglied „zur Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrates erforderlich sind.“ Diese Regelung bietet viel Raum für Streitigkeiten zwischen den Betriebsparteien, da der unbestimmte Rechtsbegriff „erforderlich“ oftmals unterschiedlich verstanden uns ausgelegt wird von Arbeitgeber und Betriebsrat.

Wann ist eine Fortbildung „erforderlich“ im Sinne des BetrVG?

Das BetrVG stellt für die Beantwortung der Frage der Erforderlichkeit auf das individuelle Wissen des Betriebsratsmitgliedes und auf die Anwendbarkeit des Wissens im betroffenen Betrieb ab. Für das Fortbildungsthema muss insoweit das fehlende Wissen des Betriebsratsmitgliedes als auch ein Anlass im betroffenen Betrieb bestehen. Eine reine Interessenlage des Betriebsratsmitglieds an einem Thema ohne Betriebsbezug kommt für die Begründung der Erforderlichkeit nicht in Betracht.

Eine Schulung ist dann als erforderlich anzusehen, wenn sie Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt, die für die sachgerechte Wahrnehmung aufkommender Betriebsratsaufgaben benötigt werden und die die teilnehmenden Betriebsratsmitglieder noch nicht oder jedenfalls in ausreichendem Umfang aufweisen. Hierunter fallen grundsätzlich alle Grundlagenseminare, spezielleres Wissen setzt einen Bedarf innerhalb des Betriebes voraus. Als Faustformel lässt sich merken, je komplexer die rechtlichen Themen des Betriebes, desto eher wird in diesem Bereich ein Fortbildungsbedarf für den Betriebsrat bestehen.

Eine gewissenhafte Betriebsratstätigkeit setzt voraus, dass jedes Betriebsratsmitglied jedenfalls Grundkenntnisse über das Betriebsverfassungsrecht und das Arbeitsrecht aufweist. Die Wissenserlangung erfolgt durch die Schulung eines jeden Betriebsratsmitgliedes. Das Prinzip der Weitergabe von Wissen durch ein geschultes Mitglied an das Gremium erfolgt nicht, vielmehr hat jedes einzelne Betriebsratsmitglied einen eigenen Anspruch auf Fortbildungen und Schulungen.

Entscheidungskompetenz über die Teilnahme an Fortbildungen

Der Betriebsrat verfügt über kein eigenes Vermögen, insofern könnte der Gedanke aufkommen, wer zahlt, bestimmt. Die Entscheidungsgewalt über die Frage, welche Fortbildungen besucht werden und insbesondere, welche nicht, läge sodann beim Arbeitgeber. Nach dem Schutzzweck der Norm, also dem Regelungsansatz der gesetzlichen Fortbildungsregelung, wäre es jedoch bedenklich, wenn der Arbeitgeber darüber zu befinden hätte, in welchen Bereichen sich der Betriebsrat rechtlich „fit“ machen dürfte. Das Ermessen über die Teilnahme der Mitglieder an Schulungsveranstaltungen obliegt insoweit dem Betriebsrat. Er entscheidet per Beschluss über diese Fragen. In dieser Entscheidung ist der Betriebsrat auch vergleichsweise frei, lediglich die Frage der Überschreitung der Ermessensgrenzen kann durch das Arbeitsgericht auf Anruf des Arbeitgebers überprüft werden.

Damit der Betriebsrat auf der sicheren Seite ist, wird er nach entsprechender Beschlussfassung dem Arbeitgeber die Information, wer welche Fortbildung besuchen wird, zukommen lassen – verbunden mit der Aufforderung zur Erklärung der Kostenübernahme , um für sich selbst Klarheit zu erlangen.

Die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers erschöpft sich jedoch nicht in den reinen Fortbildungskosten, sondern umfasst gemäß § 40 Absatz 1 BetrVG „die durch die Tätigkeit des Be¬triebsrats entstehenden Kosten.“ Davon umfasst sind Anreise sowie etwaige Übernachtungs- sowie Verpflegungskosten am Ort der Schulungsveranstaltung. Streiten sich die Parteien über die Frage der Erforderlichkeit eines Seminars kann der Betriebsrat das Arbeitsgericht anrufen, um diesen Punkt klären zu lassen.

Die Betriebsratsmitglieder sind während der Fortbildungszeiten ohne Änderungen innerhalb der Vergütung von ihrer Pflicht zur Arbeitsleistung freigestellt.

Zeitliche Lage der Fortbildung

Darf der Betriebsrat nun im Alleingang entscheiden, wann er seine Mitglieder zu Schulungen entsendet? Aus § 37 Abs. 6 S. 3 BetrVG ergibt sich die Pflicht des Betriebsrates bei der Festlegung der zeitlichen Lage "betriebliche Notwendigkeiten" zu berücksichtigen. Ein ungestörter Betriebsablauf ist insoweit auch in der Zeit des Seminarbesuchs sicherzustellen. Bei Betriebsratsmitgliedern, die nicht von ihrer regulären Arbeitsleistung freigestellt sind (d.h. keine vollberuflichen Betriebsratsmitglieder) hat die Betriebsratstätigkeit grundsätzlich  Vorrang vor der regulären betrieblichen Tätigkeit. Hiervon erfasst ist auch die gesetzliche vorgesehene Schulung und Bildung. Anders als bei akutem Bedarf sind Schulungen jedoch im Vorhinein bekannt, insofern hat das Betriebsratsmitglied den Arbeitgeber rechtzeitig über seine schulungsbedingte Abwesenheit zu informieren, um die betrieblichen Abläufe auf die Abwesenheit anpassen zu können. Als üblich gilt hierbei ein Vorlauf von zwei bis drei Wochen.

Pflicht zur Wahl der günstigsten Schulung?

Zwei Tage Schulung in Hamburg oder fünf Tage Schulung am Bodensee? Der Betriebsrat ist nicht verpflichtet, den günstigsten Anbieter für eine Fortbildung zu wählen. Vielmehr entscheidet der Betriebsrat über den Anbieter sowie Art und Ort der Schulung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit selbst. Entscheidend ist auch bei dieser Frage die Erforderlichkeit im Sinne von § 37 Abs. 6 BetrVG. Einzig das sog. Kostengünstigkeitsprinzip verlangt vom Betriebsrat, unnötige Kosten zu vermeiden. Auf die unterschiedlichen Anbieter bezogen, besteht für den Betriebsrat nur die Kostenminderungspflicht, wenn er die Wahl zwischen vergleichbaren Seminaren hat. Wie Sie sich vorstellen können, bietet auch dieser Punkt reichlich Raum für Streitigkeiten zwischen den Betriebsparteien, denn die Frage der Gleichwertigkeit kann an der Themenverteilung, der Themengewichtung, dem Dozenten etc. entschieden werden und die Chance, eine wirkliche Vergleichbarkeit herzustellen, stehen für den Arbeitgeber nicht gut. Üblicherweise setzen Betriebsräte daher die von ihnen gewählten Schulungen auch durch. Es bleibt hier zu hoffen, dass die Betriebsräte mit den Mitteln der Arbeitgeber im Rahmen ihrer Entscheidungen im Sinne der Belegschaft verantwortungsvoll umgehen.

Wenn Sie Fragen zu betriebsverfassungsrechtlichen Themen haben, wenden Sie sich an uns – Dr. Granzin Rechtsanwälte steht Ihnen als fachanwaltliche Vertretung im Arbeitsrecht zur Verfügung.
 

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