Wer sich mit den Kollegen gut versteht, hält auch in der Freizeit gerne den Kontakt. Über soziale Netzwerke oder WhatsApp kann man sich auch außerhalb der Arbeitszeiten auf dem Laufenden halten. Was aber, wenn der auf diese Weise betriebene Austausch zwischen Arbeitskollegen nicht immer politisch korrekt ist? Mit dieser Frage musste sich kürzlich das Arbeitsgericht (ArbG) Mainz auseinandersetzen. In der Sache ging es darum, ob das Versenden von fremdenfeindlichen Bildern in einem WhatsApp-Gruppenchat unter Kollegen einen Kündigungsgrund darstellen kann.
Kündigung wegen Chat-Verlauf
Die Mitarbeiter des Wormser Ordnungsamtes hatten Kündigungsschutzklage erhoben, nachdem ihnen vom Oberbürgermeister der Stadt fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt worden war. Die Angestellten waren Mitarbeiter des gemeindlichen Kontroll- und Vollzugsdienstes und waren im Rahmen dieser Tätigkeit unter anderem an Abschiebungen beteiligt. Anlass für die Kündigung war eine WhatsApp-Gruppe, in der die Arbeitskollegen sowohl dienstliche als auch private Belange miteinander austauschten. Darunter sollen sich auch Bilder mit eindeutig rechtsextremistischem Bezug befunden haben. Offenbar wurde dies, nachdem es Probleme mit der Abteilung gab. Als deshalb Einzelgespräche mit den Mitarbeitern geführt wurden, übergab ein Gruppenmitglied der Arbeitgeberin den Chatverlauf. Auch „Hetze“ gegen Flüchtlinge soll Gegenstand der Konversation gewesen sein. Der Oberbürgermeister hielt es für unverantwortlich, die Mitarbeiter weiterhin in dem ihnen übertragenen Aufgabenbereich zu beschäftigen, da er das Verhalten der Angestellten als unvereinbar mit den Grundprinzipien der Verfassung ansah. Alle sechs Mitarbeiter der Abteilung erhielten daraufhin die Kündigung, vier von ihnen klagten daraufhin vor dem Arbeitsgericht Mainz.
[caption id="attachment_3528" align="aligncenter" width="1000"] Andrey_Popov / shutterstock[/caption]
Unwirksamkeit der Kündigung
Die Kläger wehrten sich gegen die Annahme, die versendeten Bilder spiegelten ihre politische Grundeinstellung wider. Einer der Kläger stellte sich auf den Standpunkt, die beanstandeten Bilder nie selbst aktiv im Internet gesucht oder heruntergeladen zu haben. Vielmehr habe er sie anderweitig erhalten und dann in einem unüberlegten Moment innerhalb der Gruppe weitergeleitet – fremdenfeindliche oder gar rechtsextreme Absichten habe er damit nicht verfolgt.
Das ArbG Mainz hielt die Kündigungen für unwirksam und gab den Klägern Recht. Zwar gingen die Richter zugunsten der Stadt davon aus, dass die Teilnahme an dem Gruppenchat grundsätzlich geeignet sei, eine Kündigung zu rechtfertigen. Im konkreten Fall stand der Wirksamkeit der Kündigungen jedoch die Vertraulichkeit des Chatgesprächs entgegen. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien war insoweit nicht beendet, da der Arbeitgeber weder zur fristlosen noch zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt gewesen war.
Vertrauliche Äußerungen sind geschützt
In seiner Entscheidung stellte das ArbG Mainz auf die vom Bundesarbeitsgerichts (BAG) aufgestellten Grundsätze zur Vertraulichkeit von Privatgesprächen unter Arbeitnehmern ab. Das BAG hatte in einer früheren Entscheidung festgestellt, dass ausgesprochene Beleidigungen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen darstellen, einen wichtigen arbeitsvertraglichen Verstoß zur Folge haben. Allerdings müssten bei der rechtlichen Würdigung stets auch die Umstände, unter denen diffamierende oder ehrverletzende Bemerkungen über Vorgesetzte oder Kollegen gefallen sind, berücksichtigt werden. Eine Kündigung infolge eines solchen Verhaltens sei gerade dann nicht ohne weiteres zu rechtfertigen, wenn sich die Äußerungen in vertraulichen Gesprächen unter Arbeitskollegen zugetragen hätten.
Vertrauliche Äußerungen unter Kollegen unterfallen demnach dem Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindungen mit Art. 1 Abs. 1 S.1 des Grundgesetzes (GG). Ein Arbeitnehmer darf deshalb regelmäßig darauf vertrauen, dass seine getätigten Äußerungen nicht nach außen getragen werden. Wird die Vertraulichkeit gegen den Willen des Arbeitnehmers aufgehoben, etwa weil sein Gesprächspartner die negativen Äußerungen weiterträgt, geht dies arbeitsrechtlich nicht zu Lasten des Mitarbeiters.
[caption id="attachment_3530" align="aligncenter" width="1000"] Tero Vesalainen / shutterstock[/caption]
Chat-Kommunikation war privat
Diese Grundsätze waren nach Ansicht des ArbG Mainz auf die streitgegenständliche Kommunikation via WhatsApp-Chat übertragbar. Dafür spreche schon der geschlossene Teilnehmerkreis, der aus nur sechs Personen bestand. Die Kommunikation zwischen den Mitarbeitern sei privat gewesen. Zwar hatte die Stadt damit argumentiert, dass auch dienstliche Belange aus der Abteilung innerhalb des Gruppen-Chats thematisiert worden waren. Darauf kam es aber nach Ansicht der Richter nicht an. Entscheidend sei vielmehr gewesen, dass die Kommunikation ausschließlich über die privaten Smartphones der Mitarbeiter stattgefunden hatte. Schon deshalb handelte es sich im eine private Angelegenheit unter den Arbeitskollegen. Dass vereinzelt auch dienstliche Angelegenheiten, wie etwa Krankmeldungen oder Einteilungen besprochen wurden, steht dieser Annahme nicht entgegen. Die Mitglieder des Gruppen-Chats waren zudem davon ausgegangen, dass die geteilten Inhalte diskret behandelt werden und weder Texte noch Bilder von Dritten außerhalb der WhatsApp-Gruppe gelesen werden.
Äußerungen der Kläger waren schutzwürdig
Die unter den Klägern versendeten Bilder waren daher nach Ansicht des Gerichts schutzwürdig. Dies gelte ungeachtet der Tatsache, dass die Bilder fremdenfeindliche Bezüge aufwiesen und somit in Hinblick auf die von den Arbeitnehmern ausgeübte Tätigkeit einen wichtigen Grund für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses darstellen könnten. Dass die geteilten Inhalte nachträglich dem Arbeitgeber zur Kenntnis gebracht wurden, könne „arbeitsrechtlich nicht zu Lasten der sich negativ äußernden Arbeitnehmer gehen“. Damit war eine verhaltensbedingte Kündigung der Mitarbeiter nicht gerechtfertigt.
Stadt muss Mitarbeiter weiterbeschäftigen
Zwar hat die beklagte Stadt gegen die Entscheidung beim Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz Berufung eingelegt. Das Urteil des Gerichts ArbG Mainz bedeutete für die Stadt Worms aber dennoch, dass diese die Kläger weiterbeschäftigen musste. Während die Kläger wieder in ihre Jobs zurückwollten, entschied sich der Oberbürgermeister zunächst, die Mitarbeiter bei vollen Bezügen freizustellen. Da dies keine Dauerlösung sein kann, wird sich zeigen, ob die Arbeitnehmer zukünftig in ihrem alten Tätigkeitsfeld weiterbeschäftigt werden oder ob sie neue Aufgaben bekommen.
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