Rückkehr aus dem Home-Office an den Arbeitsplatz

Der Wecker klingelt, die Jogginghose wird übergestreift, der Laptop hochgefahren, der Arbeitstag beginnt. Egal, ob man dies als Traum oder Albtraum einstuft – so sieht die derzeitige Realität für viele Arbeitnehmer aus. Seit Beginn der Corona-Pandemie ist das Arbeiten im Home-Office bzw. die Telearbeit weltweit zur Normalität geworden. Wie ist nun damit umzugehen, wenn die Arbeit von zu Hause nun wieder rückgängig gemacht werden soll und die Arbeitnehmer nicht mehr nur aus dem Bett fallen, sondern den Weg in den Betrieb finden müssen? Die Möglichkeiten und Schwierigkeiten für Unternehmen bei der „Rückholung“ an den Arbeitsplatz sollen in diesem Artikel beleuchtet werden.

Wie kann die Arbeit im Home-Office beendet werden?

Gibt es eine Vereinbarung über die Arbeit im Home-Office, enthält diese häufig eine Zeit- oder Zweckbefristung. Die Arbeit im Home-Office endet in diesen Fällen mit Eintritt des Ereignisses oder des festgelegten Zeitpunkts automatisch. Zudem kann in einer Vereinbarung ein Widerrufsrecht vorbehalten sein. 

Gibt es keine Regelung über die Arbeit im Home-Office, wird der Arbeitgeber eine neue Vereinbarung treffen oder eine einseitige Arbeitsanweisung aussprechen müssen.

Was ist bei einer Widerrufsklausel zu beachten?

An Klauseln, durch die die Möglichkeit eingeräumt wird, eine Home-Office-Vereinbarung einseitig zu beenden und damit die Verpflichtung die Arbeitsleistung in den Betriebsräumen des Arbeitgebers zu erbringen wieder aufleben zu lassen, werden von der Rechtsprechung hohe Anforderungen gestellt. Der Arbeitnehmer darf hierdurch nicht unangemessen benachteiligt werden. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung muss die Klausel die Angemessenheit und Zumutbarkeit des Widerrufs erkennen lassen. Dies ist nur dann gewährleistet, wenn der Arbeitgeber Gründe angibt, die ihn zum Widerruf ermächtigen. Zudem wird bereits bei Vertragsschluss festgelegt werden müssen, wie die Rückkehr an den Arbeitsplatz in den Betriebsräumen ausgestaltet wird und wie die Arbeit dort aussehen soll. In der aktuellen Situation könnte ein Widerruf darauf gestützt sein, dass das Ansteckungsrisiko mit dem Covid-19-Erreger gesunken ist.

Wie ist die Rückkehr aus dem Home-Office arbeitsrechtlich einzuordnen?

Dem Arbeitgeber obliegt gegenüber seinen Arbeitnehmern gemäß § 106 Satz 1 Gewerbeordnung (GewO) das Weisungsrecht. Hierdurch hat der Arbeitgeber das Recht, Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung der Arbeitnehmer einseitig zu bestimmen. Der Arbeitgeber kann daher grundsätzlich anweisen, dass die Arbeitnehmer im Betrieb arbeiten sollen. Wenn der Arbeitgeber anordnet, dass in Zukunft nicht mehr von zu Hause aus, sondern wieder im Betrieb gearbeitet werden soll und es sich hierbei nicht nur um eine kurzfristige Regelung handelt, ist dies als Versetzung im Sinne von § 95 BetrVG einzustufen. 

Welche Grenzen sind dem Arbeitgeber bei der Ausübung des Weisungsrechts gesetzt?
Grenzenlos besteht das Weisungs- und damit das Versetzungsrecht des Arbeitgebers natürlich nicht. Der Arbeitgeber muss einerseits die Grenzen des Arbeitsvertrags beachten. In aller Regel ist in deutschen Arbeitsverhältnissen eine Arbeit im Betrieb des Arbeitgebers jedoch vorausgesetzt. Zudem darf der Arbeitgeber nur Anweisungen geben, die er nach billigem Ermessen trifft. Mit den Worten des Bundesarbeitsgerichts hat der Arbeitgeber eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und der Zumutbarkeit vorzunehmen (vgl. BAG, Beschluss vom 14.06.2017 – 10 AZR 330/16). Der Arbeitgeber hat also die Umstände des Einzelfalls abzuwägen und muss gegen das eigene Interesse, die Arbeitnehmer in den Betrieb zurückzuholen, auch die Interessen jedes einzelnen Arbeitnehmers und jeder einzelnen Arbeitnehmerin berücksichtigen. Hierzu gehören neben der Kinderbetreuung auch gesundheitliche Erwägungen und unter Umständen sogar der Arbeitsweg. Entbrennt Streit zwischen dem Arbeitgeber und einem Arbeitnehmer, obliegt es dem Arbeitgeber, die Einhaltung der Grenzen des billigen Ermessens darzulegen und zu beweisen.

Ist der Betriebsrat bei Regelungen über das Home-Office zu beteiligen?

Der Arbeitgeber kann alleine entscheiden, ob er seinen Arbeitnehmern die Möglichkeit gibt, im Home-Office zu arbeiten oder nicht. Hat er sich jedoch entschlossen, seinen Angestellten die Möglichkeit zum flexiblen Arbeiten von zu Hause zu ermöglichen, hat der Betriebsrat das Recht, unterrichtet zu werden und den Arbeitgeber in der Ausgestaltung des Arbeitsplatzes zu beraten, §§ 80 II, 90 II Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Auch bei der Durchführung des Home-Offices bestehen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates gemäß § 87 BetrVG. Es gilt daher den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Regelung der Handhabung von Heimarbeit zu schließen um sicherzustellen, dass die Rechte des Betriebsrates beachtet werden. Bei der Durchführung der Einzelmaßnahmen ist zudem die Zustimmung des Betriebsrates einzuholen.

Muss der Betriebsrat bei der Rückholung aus dem Home-Office beteiligt sein?

Handelt es sich um ein Unternehmen, welches regelmäßig mehr als 20 wahlberechtigte Mitarbeiter beschäftigt und über einen Betriebsrat verfügt, so hat der Arbeitgeber gem. § 99 BetrVG vor jeder Versetzung den Betriebsrat zu beteiligen. Er hat den Betriebsrat insbesondere von der geplanten Maßnahme zu unterrichten, ihm die erforderlichen Unterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person und den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz zu geben, um die Zustimmung des Betriebsrates einzuholen. Sollte ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin gegen seinen oder ihren Willen und ohne vorherige Mitwirkung des Betriebsrats versetzt werden, so ist diese Weisung schon allein mangels Beteiligung des Betriebsrats rechtswidrig. Die Versetzung im Sinne des Betriebsverfassungsrechts wird legaldefiniert als die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet, oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist (§ 95 Abs. 3 S.1 BetrVG). Sowohl eine Weisung, die einen Arbeitnehmer dazu verpflichtet von zu Hause zu arbeiten als auch die Verpflichtung nicht mehr zu Hause zu arbeiten stellen – sofern sie die Mindestdauer von einem Monat überschreiten – Maßnahmen dar, die die Beteiligungsrechte des Betriebsrates nach § 99 BetrVG auslösen. 

Muss ich, nachdem ich im Home-Office war, jetzt wirklich zurück in den Betrieb?

Diese Frage stellt sich nun so mancher Beschäftigte. Die Antwort lautet: Es kommt darauf an. Wer einmal ins Home-Office versetzt wurde, muss es sich nicht zwangsläufig den Rückruf in den Betrieb gefallen lassen. Der Arbeitgeber hat bei der Aufforderung, die Heimarbeit einzustellen, formelle und materielle Gesichtspunkte zu beachten. Geschieht dies nicht oder nicht im ausreichenden Maß, kann eine arbeitgeberseitige Anordnung unwirksam sein. Einer unwirksamen Anordnung des Arbeitgebers muss nicht nachgekommen werden. In diesen Fällen kann weiter aus dem Home-Office gearbeitet werden. Hierbei ist jedoch viel Fingerspitzengefühl und Vorsicht geboten, die Beurteilung sollte ein Arbeitnehmer bestenfalls unter anwaltlicher Zuhilfenahme vornehmen. Einer wirksamen Anordnung des Arbeitgebers muss im Gegenzug selbstverständlich nachgekommen werden. Verweigert ein Arbeitnehmer die Rückkehr zur Arbeit im Betrieb zu Unrecht ist mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen (Verlust des Vergütungsanspruchs, Abmahnung, Kündigung etc.) zu rechnen.

Wir, die Kanzlei Dr. Granzin Rechtsanwälte, stehen Ihnen als Fachanwälte für Arbeitsrecht beratend und gestaltend zur Seite. 

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