Schon seit Jahren sorgen Streitigkeiten rund um das Thema Kopftuch immer wieder für Schlagzeilen. Man kann dazu stehen, wie man will; ob in Kita, Schule oder sogar im Gericht – das Kopftuch ist im wahrsten Sinne des Wortes Konfliktstoff. Auf der einen Seite stehen Musliminnen, die um ihre Religionsfreiheit kämpfen, die andere Seite beruft sich auf das staatliche Neutralitätsgebot und die negative Religionsfreiheit. Wir erklären, warum eine Einigung in dieser Frage so schwierig ist.
Kita kündigt Erzieherin wegen Kopftuchs
Der jüngste Fall zum Thema Kopftuch kommt aus Hamburg: Nachdem eine Erzieherin 2011 zum Islam konvertierte, entschied sie sich, fortan ein Kopftuch zu tragen. Zunächst kein Problem, denn die Frau war in Elternzeit. Als sie aber in den Beruf zurückkehrte und auch während ihrer Tätigkeit in einer Kindertagesstätte das Kopftuch trug, mahnte ihr privater Arbeitgeber sie zunächst ab und kündigte ihr dann. Da die Frau jedoch ein zweites Mal schwanger gewesen ist und nachweisen konnte, dass die Schwangerschaft bereits zum Zeitpunkt der Kündigung bestand, musste diese wieder zurückgezogen werden. Zuvor ging die Erzieherin allerdings gerichtlich gegen die Abmahnungen und die Kündigung vor. Das mit der Sache befasste Arbeitsgericht Hamburg wiederum legte das Verfahren nun dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg vor. Arbeiten darf die Frau derzeit aber nicht – der Arbeitgeber hat sie vorerst vom Dienst freigestellt.
Entschädigung für abgelehnte Lehrerin
In Berlin zog eine Lehrerin vor Gericht, deren Bewerbung von einer Sekundarschule und einem Gymnasium abgelehnt wurden. Sie machte geltend, wegen ihres Kopftuchs nicht eingestellt worden zu sein. Das Arbeitsgericht Berlin hatte die Klage abgewiesen, da sich das beklagte Land auf das Berliner Neutralitätsgesetz berufen hatte. Danach dürfen religiöse oder weltanschauliche Symbole von Lehrkräften an öffentlichen Schulen nicht getragen werden. Aus diesem Grund habe die Schule die Bewerberin nicht einstellen müssen. Auf die Berufung der Klägerin hob das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg die Entscheidung auf. Da es im Bewerbungsgespräch von Anfang an auch um das Kopftuch gegangen sei, befand das Gericht, dass die Frau im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes aufgrund ihrer Religion benachteiligt worden sei. Ihr wurde eine Entschädigung von eineinhalb Monatsgehältern zugesprochen.
Pauschales Kopftuchverbot an Schulen gilt längst nicht mehr
Ein pauschales Kopftuchverbot an Schulen besteht seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes nicht mehr. Auf theoretisch denkbare Konflikte dürfen sich die Schulbehörden nicht berufen – erst dann, wenn wirklich eine konkrete Gefahr für den sogenannten „Schulfrieden“ besteht, kann die Schulleitung das Tragen des Kopftuchs verbieten. Für die Schulen als Raum zwischenmenschlicher Begegnung ist die Kopftuchfrage somit vorerst beantwortet – aber wie sieht es in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes aus?
Kein Kopftuch für Referendarinnen
Die religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates ist ein ungeschriebener Verfassungsgrundsatz. Dieses staatliche Neutralitätsgebot haben auch Rechtsreferendarinnen zu beachten, wenn sie von Bürgern als Repräsentantinnen der Justiz wahrgenommen werden können. Bei bestimmten Ausbildungstätigkeiten, etwa bei Sitzungsvertretungen oder Beweisaufnahmen, muss das Kopftuch daher abgelegt werden. Auch dürfen Referendarinnen, die während einer Verhandlung auf der Richterbank sitzen, dort kein Kopftuch tragen. Zur Neutralitätspflicht des Staates kommt die negative Glaubensfreiheit der Beteiligten eines Gerichtsverfahrens hinzu: Denn das Grundrecht aus Artikel 4 des Grundgesetzes gewährleistet auch die Freiheit, religiösen Handlungen eines nicht geteilten Glaubens fernzubleiben. Daher ist zu berücksichtigen, dass Parteien eines Gerichtsverfahrens sich in diesem Grundrecht verletzt sehen könnten, wenn Repräsentanten des Staates ihre eigene religiöse Überzeugung erkennbar nach außen tragen.
Der Streit geht weiter
Wie der jüngste Fall aus Hamburg zeigt: Beim Thema Kopftuch ist trotz zweier Urteile des Bundesverfassungsgerichtes weiterhin vieles umstritten. Welche Frau es während der Arbeit zu welcher Gelegenheit tragen darf und wann ein Verbot trotz des wichtigen Grundrechts der Religionsfreiheit gerechtfertigt ist, wird wohl auch in Zukunft weiter Gegenstand von Konflikten bleiben. Im jüngsten Fall der Erzieherin einer Hamburger Kita wird sich zeigen müssen, ob das hauseigene Neutralitätsgebot eines privaten Trägers ein Verbot rechtfertigen kann.
Sei der erste der kommentiert