Eine Abfindung von 120.000 Euro, sofortige Freistellung unter Fortzahlung der Bezüge für über zwei Jahre und dazu noch ein Wohnmobil – ein verlockendes Angebot für einen Aufhebungsvertrag. Das dachte sich zumindest ein Betriebsratsvorsitzender, der sich zu diesen Konditionen auf die Aufhebung seines Arbeitsvertrages einließ. Das Glück über diese Entscheidung war allerdings nur von kurzer Dauer: Ein Jahr nach Unterzeichnung wäre er lieber wieder in seinen alten Job zurückgekehrt und berief sich daher auf die Unwirksamkeit der Vereinbarung. Der Kläger stellte sich dabei auf den Standpunkt, dass er die hohe Abfindung nur deshalb erhalten habe, weil er Mitglied des Betriebsrats gewesen sei. Die Klage blieb jedoch ohne Erfolg, denn das Bundesarbeitsgericht (BAG) sah, wie schon die Vorinstanzen, keine unzulässige Vertragsgestaltung.
Was ist ein Betriebsrat?
Der Betriebsrat ist die von den Arbeitnehmern eines Betriebs gewählte Interessenvertretung und hat die Interessen der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber zu vertreten. In der Praxis vertritt ein Betriebsrat daher häufig Interessen, die zu denjenigen des Arbeitgebers im Widerspruch stehen. Um sie in diesem Zusammenhang vor eventuellen Repressalien durch den Arbeitgeber zu schützen, genießen sie bei ihrer Tätigkeit besonderen gesetzlichen Schutz. Dazu gehört, im Vergleich zu „normalen Arbeitnehmern“, ein besonderer Schutz vor Kündigungen oder Versetzungen. Die Vorschriften diesbezüglich sind im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) geregelt. Die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds ist gem. § 103 BetrVG grundsätzlich nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich und bedarf der Zustimmung des Gremiums. Auch haben Betriebsratsmitglieder zum Zwecke der Wahrnehmung ihrer gewöhnlichen Aufgaben im Betrieb ein Anrecht auf bezahlte Freistellung von der Arbeit. Dem Arbeitgeber ist es gemäß § 78 S. 2 BetrVG verboten, Betriebsratsmitglieder zu benachteiligen oder zu begünstigen.
Zu gut, um rechtens zu sein?
Der Betriebsratsvorsitzende, der vor dem BAG klagte, sah in seinem ausgesprochen großzügigen Aufhebungsvertrag eine solche Begünstigung und hielt die Vereinbarung daher für nichtig. Der Kläger arbeitete seit 1993 bei einem Unternehmen mit 1.500 Mitarbeitern und war dort seit 2006 Vorsitzender des Betriebsrats. 2013 wurde ihm durch eine Betriebssekretärin sexuelle Belästigung vorgeworfen, ein Strafantrag wegen Nachstellung wurde gestellt. Der Mann bestritt die Vorwürfe zwar, aber dennoch wurde ihm vom Arbeitgeber ein Hausverbot erteilt. Eine langwierige rechtliche Auseinandersetzung war die Folge, der Sachverhalt konnte jedoch nicht abschließend gerichtlich aufgeklärt werden. Zuvor einigten sich nämlich Arbeitgeber und Betriebsratsvorsitzender im Juli 2013 auf eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einen Aufhebungsvertrag. Nach diesem sollte das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 31. Dezember 2015 enden. Bis zu diesem Zeitpunkt sollte der Kläger unter Fortzahlung seines Bruttogehalts in Höhe von knapp 5.000 Euro brutto freigestellt werden und außerdem eine Abfindung von 120.000 Euro brutto erhalten, zahlbar in zwei Tranchen. Dafür sollte er mit sofortiger Wirkung seine Betriebsratsämter niederlegen. Zusätzlich war ihm – so der Arbeitnehmer – auch noch die Beschaffung und Übereignung eines Wohnmobils zugesagt worden, das einen weiteren Wert von etwa 50.000 Euro gehabt hätte.
Ein Angebot, das man nicht ablehnen kann – das dachte sich jedenfalls zunächst der Betriebsratsvorsitzende und unterzeichnete die Vereinbarung.
[caption id="attachment_3469" align="aligncenter" width="1000"] Billion Photos / shutterstock[/caption]
Lieber Arbeitsplatz als Abfindung
Rund ein Jahr nach der Unterzeichnung bereute der Mann seine Entscheidung allerdings, weshalb er sich dazu entschloss, die Vereinbarung gerichtlich beseitigen zu lassen. Vor Gericht machte er die Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrags geltend. Zur Begründung führte er an, dass seine großzügige Abfindung und der lange Zeitraum der Freistellung nur seiner besonderen Stellung als Betriebsratsvorsitzendem geschuldet seien. Diese Konditionen lagen nach Ansicht des Klägers weit über dem, was einem „normalen“ Arbeitnehmer angeboten worden wäre und stellten deshalb eine unzulässige Begünstigung gem. § 78 S. 2 BetrVG dar.
Daraus folge, so argumentierte der Kläger, die Nichtigkeit des Aufhebungsvertrages gem. § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), da er gegen ein gesetzliches Verbot verstoße. Mangels wirksam vereinbarter Aufhebung bestehe sein Arbeitsverhältnis daher fort.
Keine Begünstigung, sondern zulässige Vertragsgestaltung
Der ehemalige Arbeitgeber des Klägers war jedoch anderer Ansicht. Zwar seien die Bedingungen des Aufhebungsvertrages tatsächlich sehr entgegenkommend, was aber der besonderen Schutzwürdigkeit des Arbeitnehmers in seiner Eigenschaft als Betriebsratsvorsitzendem geschuldet sei. Denn um dem Mann kündigen zu können, hätte zunächst die Zustimmungsersetzung zur beabsichtigen Kündigung gerichtlich beantragt werden müssen. Dadurch wäre die Durchführung eines Gerichtsverfahrens notwendig geworden. Auch wenn schließlich eine Kündigung hätte ausgesprochen werden können, hätte für den Arbeitnehmer die Möglichkeit bestanden, sich gegen diese zur Wehr zu setzen. Die Durchführung eines solchen Prozesses wäre mit einem erheblichen Kostenrisiko verbunden gewesen, sodass dem Arbeitgeber an einer einverständlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gelegen war.
Wie bereits die Vorinstanzen sah auch das BAG in dem Abschluss des Aufhebungsvertrages keine unzulässige Begünstigung. Denn soweit ein Betriebsratsmitglied eine günstigere Verhandlungsposition innehabe als andere Arbeitnehmer, ergebe sich dies direkt aus dem gesetzlichen Sonderkündigungsschutz für Betriebsräte gemäß § 15 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) in Verbindung mit § 103 BetrVG. Das Ausnutzen gesetzlicher Vorteile sei aber noch nicht unzulässig – deshalb dürfe sich der Arbeitnehmer seinen Sonderkündigungsschutz sozusagen „abkaufen“ lassen, ohne das deshalb eine unzulässige Begünstigung aufgrund des Betriebsratsamts gegeben sei.
[caption id="attachment_3471" align="aligncenter" width="1000"] mato181 / shutterstock[/caption]
Keine Rückkehr in den Job
Der Kläger wird also nicht in seinen alten Job zurückkehren können. Seinem damaligen Arbeitgeber bleibt damit ein Prozess um die Rückforderung der Abfindungszahlung erspart. Auch wenn bei Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrags grundsätzlich ein solcher Rückforderungsanspruch bestanden hätte, wären die Aussichten auf tatsächliche Rückzahlung der Abfindungssumme eher düster gewesen. Es war nämlich davon auszugehen, dass der Kläger einen großen Teil des Geldes bereits verbraucht hatte – zum einen durch hohe Anwaltskosten, zum anderen aber durch eine rauschende Hochzeit mit rund 1.000 Gästen, die der Kläger seinem Sohn und dessen Braut ausgerichtet hatte.
Es zeigt sich: Auch ein lukratives Angebot ist kein Garant für dauerhafte Zufriedenheit. Wer einen Aufhebungsvertrag unterzeichnet, sollte sich daher gut überlegen, ob er nicht vielleicht doch lieber seinen Job behalten möchte – egal ob Betriebsratsmitglied oder „normaler“ Arbeitnehmer.
Sollten sie rechtlichen Rat oder Beistand in Fragen des Arbeitsrechts benötigen, stehen wir – Dr. Granzin Rechtsanwälte – ihnen jederzeit gerne mit unserer besonderen Expertise auf diesem Gebiet zur Seite.
Sei der erste der kommentiert