Obwohl in vielen arbeitsgerichtlichen Verfahren der sog. Beschluenigungsgrundsatz gilt und eine Verfahrensgeschwindigkeit gefahren wird, von der Sozialgerichte nur träumen, können nicht nur Monate, sondern bisweilen Jahre vergehen, ehe eine Entscheidung getroffen wird. Dabei besteht die Gefahr, dass eine Partei des Rechtsstreits während dieser Zeit einen Nachteil erleidet, der nicht mehr – oder nur noch unter erheblichen Schwierigkeiten – rückgängig gemacht werden kann.
Unter Umständen kann aber die Möglichkeit bestehen, im einstweiligen Rechtsschutz die eigenen Interessen schon vor einer Entscheidungsfindung in der Hauptsache zu schützen. Was es dabei zu beachten gilt, erklären wir im folgenden Beitrag.
Erlass einer einstweiligen Verfügung
Auch in arbeitsgerichtlichen Verfahren sind zahlreiche Konstellationen denkbar, in denen zügig eine vorläufige Regelung bis zum Abschluss des Hauptverfahrens herbeigeführt werden muss, um schwerwiegende Nachteile zu vermeiden.
Einstweiliger Rechtsschutz kann durch einen Antrag auf eine einstweilige Verfügung geltend gemacht werden. Dies ist in der Praxis besonders bei der Durchsetzung von Urlaubsansprüchen oder bei der Durchsetzung einer einstweiligen Weiterbeschäftigung (nach einer Kündigung) von Bedeutung, in eng gefassten Fällen bei großer wirtschaftlicher Not auch bei der Zahlung von Vergütung. Zu prüfen ist dann, ob die Regelung eines einstweiligen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig ist und eine solche Verfügung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint, sog. Regelungsverfügung gemäß § 940 ZPO (Zivilprozessordnung).
Keine Vorwegnahme der Hauptsache
Wie bereits der Begriff „einstweiliger“ Rechtsschutz nahelegt, gilt dabei der Grundsatz, dass eine einstweilige Verfügung nicht zur Vorwegnahme der Hauptsache führen darf. Deshalb ist der Erlass einstweiliger Verfügungen nur unter engen Voraussetzungen möglich.
Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund
Zunächst müsste der Antragsteller einen Anspruch auf die begehrte Maßnahme haben, den sogenannten Verfügungsanspruch. Dieser könnte etwa in einem Anspruch auf Gewährung von Urlaub bestehen oder in einem Anspruch auf Weiterbeschäftigung.
Zudem müsste ein Verfügungsgrund eingreifen. Damit ist gemeint, dass dem Antragsteller aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit das Abwarten der normalen Verfahrensdauer in der Hauptsache nicht zuzumuten ist.
Glaubhaftmachung erforderlich
Sinn und Zweck eines Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz sind schnelle Ergebnisse. Daher sollen hier – im Gegensatz zum Verfahren in der Hauptsache – keine langwierigen Beweisaufnahmen stattfinden. Ausreichend – aber auch erforderlich – ist, dass der Antragsteller die anspruchsbegründenden Tatsachen glaubhaft macht.
Dabei ist zu beachten, dass die Glaubhaftmachung keine Beweiserleichterung darstellt – genau wie im Hauptsacheverfahren muss der Richter davon überzeugt sein, dass der Vortrag des Antragstellers überwiegend wahrscheinlich ist. Zweifelt der Richter an der Richtigkeit der behaupteten Tatsachen, so fehlt es an der gemäß § 920 Abs. 2 ZPO erforderlichen Glaubhaftmachung und die einstweilige Verfügung darf nicht erlassen werden.
Einstweilige Verfügung bei Streit um den Arbeitsort
Eine Versetzung ist für viele Arbeitnehmer kein Grund zur Freude – längere Anfahrtswege und erhöhte Fahrtkosten können eine erhebliche Belastung darstellen. Daher kann es wichtig sein, eine erfolgte Versetzung möglichst schnell zu beseitigen. Dass dies in einem gerichtlichen Eilverfahren möglich sein kann, zeigt eine Entscheidung des LAG (Landesarbeitsgericht) Berlin. Der Streitfall betraf eine Verkäuferin einer Einzelhandelskette, die laut Arbeitsvertrag in Cottbus einzusetzen war. Als der Betrieb ihres Arbeitgebers im Wege des Betriebsübergangs gemäß § 613a BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) auf einen neuen Inhaber überging, erklärte sie ihren Widerspruch gegen die Überleitung ihres Arbeitsverhältnisses auf den neuen Inhaber. Ihr Arbeitgeber kündigte sie daraufhin aus betriebsbedingten Gründen und versetzte sie bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nach Frankfurt (Oder), da ihm an diesem Standort eine Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmerin vorübergehend noch möglich war.
Versetzung gestoppt
Gegen die Versetzung wehrte sich die Verkäuferin und beantragte den Erlass einer einstweiligen Verfügung – mit Erfolg. Sowohl das Arbeitsgericht Cottbus als auch das LAG Berlin gaben dem Antrag statt, sodass der Arbeitgeber verpflichtet wurde, bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung in der Hauptsache zu dulden, dass die Arbeitnehmerin nicht in Frankfurt (Oder) arbeitet.
Da der Arbeitsvertrag eine ausdrückliche Beschränkung des örtlichen Einsatzes auf eine bestimmte Filiale des Arbeitgebers in Cottbus vorsah, war die Versetzung nicht vom Weisungsrecht des Arbeitgebers aus § 106 GewO (Gewerbeordnung) umfasst und daher rechtswidrig. Auch die besondere Dringlichkeit, die eine Regelung im Eilverfahren erforderlich machte, hielt das Gericht für gegeben und verwies zur Begründung auf die langen Arbeitswege und die im Verhältnis zum Arbeitslohn sehr hohen Fahrtkosten.
Somit konnte sich die Verkäuferin ausnahmsweise im Eilrechtsschutzverfahren gegen die rechtsunwirksame Weisung ihres Arbeitgebers zur Wehr setzen.
Eilrechtsschutz gegen nicht gewährten Urlaub
Auch ein Urlaubswunsch, der dem Arbeitgeber gegenüber geltend gemacht wurde und den dieser abgelehnt hat, kann per einstweiliger Verfügung durchsetzt werden, sofern ein Verfügungsanspruch und ein Verfügungsgrund glaubhaft gemacht werden.
Der Verfügungsanspruch besteht, wenn der Arbeitnehmer für den begehrten Zeitraum einen Anspruch auf Erholungsurlaub hat und der Arbeitgeber nicht hinreichend belegen kann, dass dem Urlaubswunsch des Arbeitnehmers dringende betriebliche Gründe oder Urlaubswünsche anderer Beschäftigter entgegenstehen, die unter sozialen Gesichtspunkten vorrangig zu berücksichtigen sind.
Ein Verfügungsgrund besteht, wenn eine Interessenabwägung zu Gunsten des Arbeitnehmers ausfällt, etwa weil durch seine Familienverhältnisse ein besonderes Erholungsbedürfnis während der Schulferien gegeben ist.
Schutzschrift bei einstweiliger Verfügung
Befürchtet man als Betroffener eine ungerechtfertigte einstweilige Verfügung, so besteht die Möglichkeit, eine sogenannte Schutzschrift einzureichen. Sie dient dazu, dem Gericht vor Erlass einer erwarteten einstweiligen Verfügung präventiv den eigenen Standpunkt darzulegen und fungiert somit als eine Art „Verteidigung ins Blaue“.
Ist die Schutzschrift erfolgreich, wird das Gericht die von der Gegenseite beantragte einstweilige Verfügung entweder gar nicht, nur teilweise oder jedenfalls erst nach mündlicher Verhandlung, die noch Raum für die Erörterung der jeweiligen Rechtsposition lässt, erlassen.
Dabei bewahrt die Schutzschrift den Hinterleger natürlich nicht zwingend davor, dass die gefürchtete einstweilige Verfügung trotzdem erlassen wird. Allerdings lässt sich auf diese Weise schon einmal Klarheit erlangen: Hält das Gericht den Verfügungsantrag trotz Berücksichtigung der Schutzschrift für begründet, so gibt dies Aufschluss über die Erfolgsaussichten eines Vorgehens gegen die einstweilige Verfügung.
Wird eine Schutzschrift beim zentralen Schutzschriftregister nach § 945a ZPO eingereicht, so gilt sie mit der Einstellung in das Register als bei allen ordentlichen Gerichten der Länder eingereicht. Damit erübrigt sich die Notwendigkeit, die Schutzschrift bei allen in Betracht kommenden Gerichten zu hinterlegen.
Kosten des einstweiligen Rechtsschutzes
Das Verfahren rund um die einstweilige Verfügung ist sehr komplex und erfordert eine genaue Rechtskenntnis sowie eine gründlich durchdachte Argumentation. Die Einreichung einer Schutzschrift unterliegt zwar keinem Anwaltszwang, aber auch hier empfiehlt sich anwaltliche Unterstützung. Die Glaubhaftmachung des Vortrages erfordert in den meisten Fällen die Erstellung einer eidesstattlichen Versicherung, diese Aufgabe ist eine rechtliche Herausforderung für den Rechtsanwalt, aber insbesondere für den juristischen Laien. Dabei kann ein Anwalt helfen, die Erfolgsaussichten eines Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz einzuschätzen, sowie die nötige Übersicht über den Verfahrensgang zu behalten und den gesamten Prozess zu begleiten. Die Berechnung der anwaltlichen Gebühren erfolgt grundsätzlich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Beim Eilrechtsschutz besteht die Besonderheit, dass gemeinhin die Streitwerte aufgrund des stark begrenzten Antragsgegenstandes ausgesprochen niedrig daherkommen. Auf der anderen Seite ist jedoch der Aufwand der Anwaltsarbeit besonders hoch und von großer Eilbedürftigkeit geprägt. Es bedarf somit für eine wirtschaftliche Bearbeitung oftmals gesonderter Absprachen mit der Mandantschaft. Sollten sie rund um dieses Thema anwaltliche Unterstützung benötigen, sind wir – Dr. Granzin Rechtsanwälte – der richtige Ansprechpartner für Sie.
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