Die W-Fragen zum Streik

Wie? Was? Warum? Wann? – Wir räumen mit den „W-Fragen“ zum Thema Streik auf

Nach den Streiks des öffentlichen Nahverkehrs in der letzten Woche unter anderem auch in Hamburg, streikte diese Woche der öffentliche Nahverkehr in Niedersachsen. Was vor allem für Pendler ein Problem und Ärgernis darstellt, stellt eine wichtiges Institut der Arbeitnehmerrechte dar und findet seine Legitimation sogar in unserem Grundgesetz. In diesem Artikel beschäftigen wir uns mit dem „W-Fragen“ rund um das Thema Streik.

Was ist ein Streik?

„Da streike ich!“ – ein Satz, den die meisten von uns schon gesagt haben. Doch die wenigsten werden tatsächlich schon einmal an einem Streik im arbeitsrechtlichen Sinne beteiligt gewesen sein. Mit Streik meint das Arbeitsrecht die vorübergehende Verweigerung von Arbeitsleistung und zwar nicht durch eine einzelne Person, sondern durch eine organisierte Gruppe, um ein gemeinsames Ziel gegenüber einem scheinbar übermächtigen Arbeitgeber durchzusetzen. Vorreiter hierzu waren die Gürtelgesellen in Breslau im Jahr 1329. Sie sind verantwortlich für den ersten historisch belegten Streik im deutschsprachigen Raum, der dann auch gleich ein ganzes Jahr andauerte.

Warum wird gestreikt?

Die Frage nach dem Warum, hat sich bereits jeder Betroffene gestellt. Hintergrund des Rechts zum Streik ist das Vorliegen eines Machtgefälles zwischen Arbeitgeber und einem einzelnen Arbeitnehmer. Gegenüber einem großen Konzern ist es für einen einzelnen Arbeitnehmer nahezu unmöglich, sich alleine zu behaupten. Aus diesem Grund gibt es das Recht der Koalitionsfreiheit in Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG). Hiermit soll den Arbeitnehmern die Möglichkeit gegeben werden, sich zusammenzuschließen und auf diese Weise dem vermeintlich übermächtigen Arbeitgeber frei nach dem Motto „gemeinsam sind wir stark“ auf Augenhöhe entgegenzutreten. So wird dem Arbeitnehmer ein wirkungsvolles Druckmittel an die Hand gegeben. Durch diese verbesserte Verhandlungsposition soll dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gegeben werden, bessere Beschäftigungsbedingungen oder bessere Bezahlung heraushandeln zu können. Das intensivste Druckmittel bei derartigen Verhandlungen stellt das Lahmlegen des Betriebes im Streikwege dar:

Wenn ein Fabrikarbeiter mehr Lohn fordert und ansonsten mit der Niederlegung seiner Arbeit droht, wird der Fabrikbesitzer müde lächeln und mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen drohen. Der Arbeitnehmer übernimmt in der Fabrikhalle in der Regel keine wesentliche Rolle. Ein Ausfall würde den Ablauf im Betrieb – hier eine Produktion – nicht wesentlich beeinträchtigen. Gänzlich anders stellt sich die Lage dar, wenn dieser eine Fabrikarbeiter sich mit anderen unzufriedenen Fabrikarbeitern zusammenschließt und am Ende ein großer Anteil der Fabrikarbeiter droht, die Arbeit niederzulegen. In diesem Fall kann der Arbeitgeber und Fabrikeigentümer nicht mehr produzieren und wird erhebliche wirtschaftliche Einbußen einfahren. 

Wann darf gestreikt werden?

Die Ermächtigungsgrundlage für den als Streik bezeichneten Arbeitskampf ist begründet in Art. 9 GG. Um rechtmäßig zu sein, darf der Streik nicht gegen Recht und Gesetz verstoßen, er muss von einer Gewerkschaft organisiert werden und darf keine Friedenspflicht oder andere Vereinbarung brechen. 

Wichtig ist insbesondere, dass nicht „einfach so“ gestreikt wird. Vielmehr ist die Zielsetzung des Streiks ausschlaggebend für dessen Rechtmäßigkeit. Das durch die Verhandlungen bzw. das Druckmittel des Streiks angestrebte Ziel muss eine Regelung sein, die tarifvertraglich vereinbar ist. Ein solches liegt insbesondere dann nicht vor, wenn aus politisch motivierten Gründen gestreikt wird. Typische Ziele hingegen sind Verhandlungen über Arbeitszeit, Gehalt, Urlaub und andere Arbeitsbedingungen. 

Ebenfalls wichtig ist, dass ein Streik gewerkschaftlich organisiert ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Streik gewerkschaftlich beschlossen wurde und dieser Beschluss inklusive Aufruf zum Streik dem Verhandlungspartner (Arbeitgeber oder Arbeitgeberverband) mit dem gesetzten Streikziel mitgeteilt wird. Da der Streik ein derart heftiges Mittel der Verhandlungsführung darstellt, darf dieses nur als letzter Ausweg eingesetzt werden. Mit anderen Worten, ein Streik darf nur unter Berücksichtigung des Gebotes der Fairness und des Verbotes des Übermaßes durchgeführt werden, da ansonsten der Arbeitskampf unrechtmäßig ist.

Wie sieht ein Streik aus?

Hier dürften die meisten Menschen dasselbe Bild vor Augen haben: Eine Menschenmenge mit Fahnen, Bannern, Schildern und Trillerpfeifen, die lauthals Forderungen rufen. Eine Pflicht, sich an solchen Demonstrationen zu beteiligen, gibt es jedoch nicht. Der Arbeitnehmer kann die Zeit ebenfalls nutzen, um Zeit mit seiner Familie zu verbringen. Von der Arbeit für einen anderen Arbeitgeber sollten streikende Arbeitnehmer jedoch zwingend absehen, da dies den eigentlichen Arbeitgeber sogar zum Ausspruch einer wirksamen Kündigung berechtigen kann. 

Welche Formen des Streiks gibt es?

Generalstreik, Bummelstreik, Warnstreik, Vollstreik, Wilder Streik – einige unterschiedliche Formen des Streiks sollen kurz erklärt werden:

Warnstreik vs. Vollstreik

Da ein Streik erhebliche Auswirkungen auf den Arbeitgeber hat, darf hierzu nur als ultima ratio, also letztes Mittel, gegriffen werden. Die Arbeit darf dementsprechend nicht ohne Vorankündigung niedergelegt werden. Zuvor müssen die Gewerkschaftsvertreter und Arbeitgebervertreter verhandelt haben. Sollten diese Verhandlungen jedoch erfolglos bleiben, da sich die Arbeitgeberseite aus Sicht der Arbeitnehmer uneinsichtig zeigt oder die Forderung schlicht nicht versteht, kann ein Warnstreik durchgeführt werden. Anders als ein Vollstreik ist zur Durchführung eines Warnstreiks keine Urabstimmung der Gewerkschaft erforderlich. Zudem beschränkt sich ein solcher Warnstreik nur auf einen Betrieb und hat daher weniger gravierende Auswirkungen auf den Arbeitgeber. Gegenüber dem Warnstreik ist der Vollstreik ein deutlich intensiveres Druckmittel und dadurch auch an strengere Voraussetzungen gebunden. Hierbei kommt es zur Arbeitsniederlegung im gesamten Wirtschaftsbereich. 

Generalstreik

Die drastischste Form stellt der Generalstreik dar, wobei dieser kein Streik im arbeitsrechtlichen Sinne ist, der sich auf Art. 9 GG stützen kann. Er ist nicht beschränkt auf einen Betrieb. Bei einem Generalstreik werden Arbeitnehmer einer ganzen Region dazu aufgerufen, die Arbeit niederzulegen. Denkbar ist sogar, dass ein solcher Generalstreik über die gesamte Bundesrepublik Deutschland ausgedehnt wird. Hiermit soll bewusst – beispielsweise zur Durchsetzung von politischen Zielen – die Volkswirtschaft eines Landes oder einer Region gelähmt werden. Denkbar ist ein solcher Generalstreik in Deutschland jedoch nur nach Art. 20 GG zur Verteidigung unserer Verfassung.

Bummelstreik

Die unauffälligste Form des Streiks und damit das genaue Gegenteil zum Generalstreik ist der Bummelstreik – auch Dienst nach Vorschrift genannt. Gemeint ist hiermit die peinlich genaue Befolgung von Vorschriften, welche derart ins Absurde geführt wird, dass ein Arbeitnehmer letztlich zu nichts mehr kommt und die Arbeit liegen bleibt. 

Wilder Streik

Ein Wilder Streik wird nicht durch eine Gewerkschaft organisiert und ist daher grundsätzlich unrechtmäßig. Die Teilnahme an einem Wilden Streik kann für den Arbeitnehmer empfindliche arbeitsrechtliche Konsequenzen mit sich bringen, es ist insofern nicht dazu zu raten. 

Wie kann der Arbeitgeber reagieren?

Dass Arbeitgeber von der Arbeitsniederlegung ihrer Mitarbeiter nicht begeistert sein werden, ist wenig überraschend. Handelt es sich jedoch um einen rechtmäßigen Streik, dürfen sich aus dem Umstand, dass ein Arbeitnehmer streikt, keine negativen Konsequenzen ergeben. Insbesondere kann ein Arbeitnehmer, der an einem rechtmäßigen Streik teilnimmt, nicht aus diesem Grund wirksam abgemahnt oder gekündigt werden. 

Auch der Einsatz von Leiharbeitnehmern, um den Streik zu brechen, ist nicht rechtmäßig möglich. Der Gesetzgeber regelte bereits 2017, dass ein bestreiktes Unternehmen keine Leiharbeiter einsetzen darf, um damit den bestreikten Betrieb wiederherzustellen § 11 Abs. 5 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Mit dem Beschluss vom 19.06.2020 (AZ. 1 BvR 842/17) entschied das Bundesverfassungsgericht, dass diese Regelung verhältnismäßig sei und daher nicht verfassungswidrig. Zwar schränke die Vorschrift Arbeitgeber in ihrer Entscheidung, Leiharbeitnehmer einzusetzen, ein, doch es handle sich hierbei gerade nicht um ein generelles Verbot. Lediglich um das wichtige Verhandlungsmittel des Streiks nicht zu unterlaufen, dürfen Leiharbeitnehmer nicht eingesetzt werden. Hiermit werde das legitime Ziel verfolgt, für alle – und damit auch für Leiharbeitnehmer – angemessene Arbeitsbedingungen zu gewähren und eine funktionierende Tarifautonomie zu erhalten.

Bei Fragen rund um das Thema Streik stehen wir Ihnen stehen wir, Dr. Granzin Rechtsanwälte, Ihnen gerne als Fachanwälte für Arbeitsrecht zur Verfügung.

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