„Traue nie einer Statistik, die Du nicht selber gefälscht hast“ – dieses Zitat fällt häufig, besonders auch dann, wenn Statistiken im Widerspruch zu unserer subjektiven Wahrnehmung stehen. Meistens wird dieser Ausspruch dem ehemaligen britischen Premierminister Sir Winston Churchill zugeschrieben – ob er jedoch wirklich von ihm stammt, ist zweifelhaft. Ungeachtet der Urheberschaft ist die Aussage jedoch eine gute Erinnerung daran, dass Statistiken mit Vorsicht zu genießen sind und nicht zu vorschnellen Schlüssen verleiten sollten. In diesem Sinne widmen wir den heutigen Beitrag der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) und schauen uns genauer an, wie die vieldiskutierten Zahlen zustande kommen.
Tiefster Stand seit der Wiedervereinigung
Die Zahl der in Deutschland registrierten Straftaten ist laut Polizeilicher Kriminalstatistik im vergangenen Jahr fast um 10 Prozent gesunken. Das ist der stärkste Rückgang der Kriminalität seit 25 Jahren und gleichzeitig der tiefste Stand seit der Wiedervereinigung. Aber wer führt eigentlich die PKS, was kann sie wiedergeben und wieviel Aussagekraft kommt ihr zu?
Die Polizeiliche Kriminalstatistik wird seit 1953 vom Bundeskriminalamt in Wiesbaden herausgegeben. Seit 1971 wird sie als sogenannte Ausgangsstatistik geführt. Das bedeutet, dass die Daten vor Abgabe des Verfahrens an die Staatsanwaltschaft gemäß den Richtlinien für die Führung der PKS erhoben werden. In ihr werden die von der Polizei bearbeiteten Straftaten einschließlich der strafbaren Versuche registriert. In der Polizeilichen Kriminalstatistik kann insofern nur das sogenannte „Hellfeld“ abgebildet werden. Aussagen über Straftaten, die der Polizei nicht bekannt geworden sind (sogenanntes „Dunkelfeld“) können nicht getroffen werden. Die PKS ist dennoch ein wichtiger Gradmesser zur Kriminalitätslage in Deutschland, da sie stellt eine große Bandbreite an aufschlussreichen Informationen über registrierte Taten und Tatverdächtige bereitstellt. Die PKS sollte jedoch mit Umsicht verwendet werden, denn als Tatverdächtigenstatistik kann sie dem Grunde nach lediglich das Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen wiedergeben.
Was wird mit der PKS bezweckt?
Die Polizeiliche Kriminalstatistik dient dazu, die Kriminalität insgesamt, aber auch die einzelnen Deliktsarten zu beobachten. Sie bietet auch die Möglichkeit, den Umfang des Kreises an Tatverdächtigen zu erkennen und Veränderungen in dessen Zusammensetzung festzustellen. Sie ist ein hilfreiches Instrument, wenn es darum geht, Erkenntnisse zur Kriminalitätsbekämpfung zu erlangen. Darüber hinaus kann sie Anhaltspunkte zur Durchführung kriminalpolitischer oder präventiver Maßnahmen geben.
[caption id="attachment_3502" align="aligncenter" width="1000"] TheaDesign / shutterstock[/caption]
Was enthält die PKS – und was nicht?
Die polizeiliche Kriminalstatistik enthält insbesondere Angaben über
- die Art und Anzahl der erfassten Sraftaten
- Tatort und Tatzeit
- Opfer und Schäden
- Aufklärungergebnisse
- Alter, Geschlecht und andere Merkmale der Tatverdächtigen
Nicht enthalten sind Staatsschutz- und Verkehrsdelikte sowie Ordnungswidrigkeiten. Auch Delikte, die von den Staatsanwaltschaften (vor allem Taten im Bereich der Wirtschaftskriminalität), den Finanzämtern (Steuerstraftaten) und dem Zoll unmittelbar und abschließend bearbeitet werden, sind nicht in der PKS erfasst. Vom Zoll bearbeitete Rauschgiftdelikte hingegen werden in die PKS einbezogen. Bei Straftaten von Soldaten der Bundeswehr erfolgt keine Registrierung, da der Disziplinarvorgesetzte in diesen Fällen die Ermittlungen selbstständig durchführt.
Übrigens: Der gefährliche Eingriff in den Bahn-, Luft-, und Schiffsverkehr nach § 315 Strafgesetzbuch (StGB), der gefährliche Eingriff in den Straßenverkehr nach § 315 b und das missbräuchliche Herstellen, Vertreiben oder Ausgeben von Kennzeichen nach § 22 Straßenverkehrsgesetz (StVG) zählen nicht zu den Verkehrsdelikten und werden deshalb in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfasst.
Wie werden die Tatverdächtigen gezählt?
Seit 1984 wird für die PKS die sogenannte „echte Tatverdächtigenzählung“ (Echttäterzählung durchgeführt. Das heißt, ein Tatverdächtiger wird mit dem gleichen Delikt in einem Berichtsjahr je Bundesland nur einmal gezählt, selbst wenn er dieses Delikt mehrfach begangen hatte, beispielsweise bei wiederholten Diebstählen. Auf diese Weise werden Mehrfachzählungen vermieden, die vor Einführung dieser Praxis zu überhöhten Tatverdächtigenzahlen und damit zu einer Verzerrung der Verdächtigenstruktur geführt hatten. Seit 2009 kann diese Zählweise auch auf Bundesebene durchgeführt werden – auch Tatverdächtige, die in einem Jahr in mehreren Bundesländern auffällig geworden sind, werden nur einmal gezählt.
Kein Spiegelbild der Kriminalitätswirklichkeit
Die Aussagen der Polizeilichen Kriminalstatistik sollten nicht überschätzt werden, da sie zum einen – wie beinahe jede Statistik – fehleranfällig ist und zum anderen einer Reihe von Einflussfaktoren unterliegt.
Beispielsweise können Änderungen im Anzeigeverhalten der Bevölkerung zu einer Verschiebung der Grenzen zwischen Hell- und Dunkelfeld führen, ohne dass sich der tatsächliche Umfang der Kriminalität geändert hat. Neuere Dunkelfelduntersuchungen haben etwa gezeigt, dass die Gewaltkriminalität junger Menschen nicht so stark angestiegen ist, wie es die PKS hat vermuten lassen. Der Anstieg solcher Delikte im Hellfeld stellt nämlich zumindest auch die Folge einer gestiegenen Anzeigebereitschaft in Hinblick auf Gewaltkriminalität dar.
Auf Seiten der Polizei wäre unter Umständen eine Unwilligkeit zur Entgegennahme von Anzeigen denkbar, etwa um „Papierkram“ zu sparen. Zudem könnte die Zuordnung zu einem Straftatbestand fehlerhaft sein, es besteht die Möglichkeit von Mehrfacherfassungen oder Mindererfassungen.
Die Art und Weise, in der die Polizei ihre Ressourcen einsetzt, bleibt ebenfalls nicht ohne Folgen auf die PKS. Das gilt etwa für die gezielte Überprüfung bestimmter Milieus oder Orte: Wird etwa die Kontrolldichte sogenannter „hot-spots“ in Hinblick auf Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) erhöht, wird sich dies letztlich auch in einer Erhöhung der registrierten Kriminalität in diesem Bereich äußern.
[caption id="attachment_3501" align="aligncenter" width="1000"] Christian Delbert / shutterstock[/caption]
Die Polizeiliche Kriminalstatistik für 2017
Die PKS für das Jahr 2017 meldet Erfreuliches. Laut einem Bericht zur Statistik gab es im vergangenen Jahr 5,76 Millionen Straftaten. Im Vergleich zu 2016 entspricht das einer Abnahme der Kriminalität um 9,6 Prozent. Etwa ein Drittel aller Verbrechen sind – wie auch in den Jahren zuvor – Diebstahlsdelikte. Bei der registrierten Gewaltkriminalität wurde ein Rückgang um 2,4 Prozent verzeichnet. Die Zahl der registrierten Wohnungseinbrüche in Deutschland ist für das Jahr 2017 um mehr als ein Fünftel zurückgegangen. Dagegen wurde für das vergangene Jahr mehr Morde registriert – hier ist ein Anstieg um 3,2 Prozent auf 785 registrierte Fälle zu verzeichnen. Eine Zunahme gab es auch bei der Drogenkriminalität: Die Zahl der Delikte stieg hier um 9,2 Prozent auf 330.000 Fälle an. Dabei sollte man jedoch im Hinterkopf behalten, dass die Aussagekraft dieser Zahlen begrenzt ist, da verstärkt solche Taten und Täter abgebildet werden, um die sich die Polizei gerade verstärkt kümmert.
Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik ist die Lage in Deutschland im vergangenen Jahr also deutlich sicherer geworden. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Oliver Malchow, warnt dennoch vor „voreiligen Schlussfolgerungen der Sicherheitslage“. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Kriminalitätslage in der Zukunft entwickeln wird.
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