Jedes Strafverfahren beginnt mit einer Strafanzeige, die den Anfangsverdacht zu einer Straftat begründet. Die Anzeige wird entweder von einer Person bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft erstattet oder die Behörden nehmen von Amts wegen eine Strafanzeige auf. Das Thema Strafanzeige haben wir bereits hier ausführlich behandelt.
Wer nun möglicherweise wegen einer Straftat angezeigt wurde und deshalb unangenehme Post von der Staatsanwaltschaft erhalten hat, fragt sich berechtigterweise wie nun der weitere Lauf der Dinge ist und was ihn im Zuge der Ermittlungen erwartet. Aber auch ohne ein unmittelbar drohendes Strafverfahren, kann es hilfreich sein, grob über den Ablauf Bescheid zu wissen. Der folgende Beitrag soll daher einen grundlegenden Überblick zum Gang des Strafverfahrens bieten.
Der Ablauf des Strafverfahrens
Das Strafverfahren gliedert sich in vier Abschnitte, die jeweils ganz unterschiedliche Funktionen erfüllen. Der Ablauf des Strafverfahrens ist in der Strafprozessordnung (StPO) und im Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) geregelt. Man unterscheidet zunächst zwischen den unterschiedlichen Verfahrensabschnitten, die sich in Ermittlungsverfahren, Zwischenverfahren, Hauptverfahren und Vollstreckungsverfahren gliedern lassen.
Das Ermittlungsverfahren
Das Ermittlungsverfahren, auch Vorverfahren genannt, kommt in Gang, sobald die Staatsanwaltschaft durch eine Anzeige oder auf anderem Weg vom Verdacht einer Straftat Kenntnis erlangt. Dies ist in § 160 der StPO geregelt. Die Staatsanwaltschaft hat dann die Aufgabe, den Sachverhalt zu erforschen, was in der Regel in Zusammenarbeit mit der Polizei geschieht. Ziel dabei ist es, herauszufinden, ob der Beschuldigte hinreichend verdächtig ist. Von einem hinreichenden Verdacht wird gesprochen, wenn am Ende des Ermittlungsverfahrens davon auszugehen ist, dass am Ende eines Gerichtsverfahrens eine Verurteilung wahrscheinlicher ist als ein Freispruch. Im Zuge der Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft nicht nur die belastenden, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln.
Am Ende des Ermittlungsverfahrens erlässt die Staatsanwaltschaft eine sogenannte Abschlussverfügung. Mit ihr wird entweder mangels hinreichendem Tatverdacht das Verfahren eingestellt und nicht weiter betrieben oder es wird öffentlich Anklage erhoben. Zudem hat die Staatsanwaltschaft verschiedene andere Möglichkeiten der Einstellung, die wir bereits in einem gesonderten Beitrag erläutert haben.
Üblicherweise erhalten Sie durch eine Vorladung der Polizei Kenntnis davon, dass gegen Sie ein Ermittlungsverfahren geführt wird. Nach Erhalt sollten sie umgehend einen Strafverteidiger aufsuchen, um Akteneinsicht und damit weitere Details zum Tatvorwurf zu erhalten. Bevor ihr Verteidiger Akteneinsicht genommen hat, sollten sie sich zu den Vorwürfen nicht äußern. Dieses Schweigen wird niemals zu ihrem Nachteil gewertet.
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Das Zwischenverfahren
Hat die Staatsanwaltschaft beschlossen, öffentliche Klage zu erheben, geschieht dies, indem beim zuständigen Gericht eine Klageschrift eingereicht wird. Dann wird das sogenannte Zwischenverfahren durchgeführt, in dem nunmehr das zuständige Gericht prüft, ob der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig ist. Welches Gericht sachlich zuständig ist, richtet sich nach dem Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Auch schon im Zwischenverfahren kann das Gericht zur besseren Aufklärung weitere Beweiserhebungen anordnen, § 202 StPO.
Fehlt es nach Auffassung des Gerichts an einem hinreichenden Tatverdacht, lehnt es die Eröffnung des Hauptverfahrens ab, § 204 StPO. Gelangt das Gericht hingegen zu der Überzeugung, dass ein hinreichender Tatverdacht besteht, so beschließt es die Eröffnung des Hauptverfahrens, § 203 StPO.
Das Hauptverfahren und die Hauptverhandlung
Das Hauptverfahren stellt einen wesentlichen Abschnitt des Strafverfahrens dar. Kernstück des Hauptverfahrens ist die sogenannte Hauptverhandlung, an deren Ende sich entscheidet, ob der Angeklagte verurteilt oder freigesprochen wird. Sie wird in Anwesenheit des Angeklagten, seines Verteidigers, des Richters und der Staatsanwaltschaft durchgeführt. Auch weitere Beteiligte wie Zeugen oder Sachverständige können geladen werden.
Eröffnet das Gericht also das Hauptverfahren, lädt es zunächst den Angeklagten zur Hauptverhandlung und stellt ihm spätestens mit der Ladung auch den Eröffnungsbeschluss zu. Die Hauptverhandlung selbst beginnt dann mit dem Aufruf der Sache durch das Gericht, § 243 StPO. Am Richtertisch sitzen der oder die Richter und eventuell die zusätzlichen Schöffen, sowie ein Protokollführer. Der Angeklagte und sein Verteidiger nehmen an einem der Tische vor dem Richtertisch Platz. Der Staatsanwalt befindet sich gegenüber von ihnen. Der Vorsitzende stellt dann zunächst fest, ob der Angeklagte und sein Verteidiger, insbesondere aber auch die geladenen Zeugen und sonstige Beteiligte anwesend sind.
Daraufhin verlassen die Zeugen den Saal zunächst wieder, und der Angeklagte wird über seine persönlichen Verhältnisse befragt. Anschließend verliest der Staatsanwalt die Anklageschrift. Danach wird der Angeklagte über sein Schweigerecht belehrt. Entschließt er sich jedoch, Angaben zu machen, vernimmt ihn das Gericht zur Sache. Anschließend wird mit der Beweiserhebung begonnen. Das erkennende Gericht forscht nach der Wahrheit und versucht den Tatvorwurf aufzuklären, indem es etwa Zeugen vernimmt oder Gutachten von Sachverständigen hinzuzieht.
Sind alle Beweismittel ausgeschöpft, schließt das Gericht die Beweisaufnahme und die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung halten ihren Schlussvortrag. Das sogenannte „letze Wort“ gebührt stets dem Angeklagten, § 258 Abs. 3 StPO.
Im Zweifel für den Angeklagten
Zu guter Letzt zieht das Gericht sich dann zur geheimen Beratung zurück. Es entscheidet über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung. Bestehen nach Ansicht des Gerichts nach der Beweisaufnahme noch Zweifel an der Schuld des Angeklagten, so spricht es diesen frei („in dubio pro reo“). Das Gericht darf den Angeklagten nur verurteilen, wenn es von dessen Schuld überzeugt ist. Das Urteil wird mündlich verkündet und enthält neben dem Ausspruch der Strafe auch die Urteilsgründe.
Mit der Verkündung des Urteils ist die Hauptverhandlung beendet und das Verfahren in der ersten Instanz abgeschlossen. Der Verurteilte oder auch die Staatsanwaltschaft haben nun die Möglichkeit, innerhalb bestimmter Fristen Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen. Darunter versteht man die Berufung und die Revision. Werden keine Rechtsmittel eingelegt, wird das Urteil rechtskräftig und kann nicht mehr angefochten werden.
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Das Vollstreckungsverfahren
An die Rechtskraft des Urteils schließt sich das Vollstreckungsverfahren an. In ihm werden die im Urteil ausgesprochenen Rechtsfolgen der Tat verwirklicht, also etwa eine Geld- oder Freiheitsstrafe durchgesetzt. Bei der Strafvollstreckung ist die Staatsanwaltschaft die Vollstreckungsbehörde. Eine Besonderheit gilt es bei Rechtsfolgen gegen Jugendliche oder gegen nach Jugendstrafrecht verurteilten Heranwachsenden zu beachten: Hier sind die Aufgaben der Vollstreckungsbehörde dem Jugendrichter als Vollstreckungsleiter übertragen.
Es bleibt festzuhalten, dass Post von der Staatsanwaltschaft sicherlich kein Anlass zur Freude ist – sie ist aber auch kein Grund, in Panik zu verfallen. Es sollte aber schon aus eigenem Interesse frühzeitig der Kontakt zu einem Verteidiger aufgenommen werden. Sich in einem Strafverfahren selbst zu verteidigen, ist keine gute Idee. Falls gegen Sie ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sein sollte, stehen wir – Dr. Granzin Rechtsanwälte – Ihnen zuverlässig und kompetent mit unserer langjährigen Erfahrung als Fachanwälte für Strafrecht zur Seite.
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