Coronavirus und Arbeitsrecht – Was Arbeitnehmer und Arbeitgeber wissen sollten

Der Ausbruch des Coronavirus, das wegen seiner weltweiten Verbreitung von der Weltgesundheitsorganisation WHO mittlerweile offiziell als pandemisch betrachtet wird, beherrscht derzeit das Tagesgeschehen. Ob Hamsterkäufe, abgesagte Großveranstaltungen oder die Schließung öffentlicher Einrichtungen - immer neue Schlagzeilen machen es zunehmend schwer, den Entwicklungen gelassen gegenüber zu stehen. Mit steigenden Fallzahlen nimmt jedoch nicht nur die Besorgnis zu, auch immer mehr Lebensbereiche werden von den aktuellen Entwicklungen spürbar betroffen. Dies gilt in besonderem Maße für das Arbeitsleben. Welche Folgen sich aus der besonderen gesundheitlichen Gefahrenlage für Arbeitnehmer und Arbeitgeber ergeben, erklären wir im folgenden Beitrag.

Was passiert, wenn Arbeitnehmer an Corona erkranken?

Geht man davon aus, dass die Erkrankung mit dem Coronavirus stets die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat, steht dem Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 EFZG (Entgeltfortzahlungsgesetz) zu. Dieser Anspruch ist grundsätzlich auf einen Zeitraum von sechs Wochen begrenzt. Sollte die Erkrankung länger andauern, erhält der gesetzlich versicherte Arbeitnehmer nach Ablauf der sechs Wochen Krankengeld von seiner gesetzlichen Krankenkasse. 

Um eine weitere Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern und zur Entlastung der Ärzte, können sich Patienten mit leichten Erkrankungen der oberen Atemwege leichter krankschreiben lassen. Wer also davon ausgeht, nur eine leichte Erkältung zu haben, muss derzeit keine überfüllte Arztpraxis aufsuchen, sondern kann nach telefonischer Rücksprache mit dem Arzt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis maximal sieben Tage ausgestellt bekommen. Alle anderen Erkrankungen, die nicht nur die oberen Atemwege betreffen, sind von der Ferndiagnose ausgeschlossen. Sind die Kriterien für eine telefonische Krankschreibung erfüllt, bekommen die Patienten die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung per Post zugeschickt. 

Was gilt im Falle eines beruflichen Tätigkeitsverbots?

Wird gegen einen am Coronavirus erkrankten Arbeitnehmer zugleich ein berufliches Tätigkeitsverbot nach § 31 Satz 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG) angeordnet, greift der Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 IfSG. Größere finanzielle Einbußen müssen Arbeitnehmer in diesem Fall folglich nicht befürchten. In der Praxis tritt der Arbeitgeber dabei in Vorleistung und muss das Gehalt bis zu einer Gesamtdauer von sechs Wochen zunächst weiterzahlen. Die ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber dann auf Antrag bei der zuständigen Behörde erstattet. 

Was ist mit dem Gehalt, wenn man unter Quarantäne steht?    

Muss sich ein nicht erkrankter Arbeitnehmer aufgrund behördlicher Anweisung in häusliche Quarantäne begeben, wird infolge der Quarantäne ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht in solchen Fällen nicht, da nur ein Verdachtsfall besteht. Auch hier besteht aber ein Entschädigungsanspruch gemäß § 56 IfSG. 

Übrigens wird auch für Selbstständige in § 56 IfSG eine Fortzahlung ihres Einkommens geregelt, wenn sie aufgrund von Quarantäne nicht arbeiten können. 

Darf man aus Angst vor Ansteckung zu Hause bleiben? 

Bleibt ein Arbeitnehmer aus Angst vor einer möglichen Ansteckung mit dem Coronavirus der Arbeit fern und ist diese Angst letztlich unbegründet, weil keine realistische Gefahr einer Ansteckung am Arbeitsplatz besteht, hat er jedenfalls keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach dem EFZG. 
In einem solchen Fall fehlt der Arbeitnehmer zudem auch unentschuldigt, denn auch eine drohende Pandemie gewährt kein allgemeines Leistungsverweigerungsrecht. Unentschuldigtes Fehlen kann zu einer Abmahnung führen und in Einzelfällen auch kündigungsrechtlich relevant sein. 

Darf der Arbeitgeber Mitarbeiter gegen ihren Willen nach Hause schicken? 

Andersherum stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber seine Mitarbeiter gewissermaßen vorbeugend nach Hause schicken darf. Grundsätzlich trifft den Arbeitgeber eine Beschäftigungspflicht, sodass er zur Entgeltfortzahlung verpflichtet bleibt, wenn Arbeitnehmer unbegründet nach Hause geschickt werden. 

Unabhängig von einer solchen bezahlten Freistellung, besteht aber natürlich jederzeit die Möglichkeit, sich über Urlaub oder den Abbau etwaiger Überstunden zu verständigen. 

Haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf Arbeit im Home-Office?

Viele Arbeitnehmer machen aktuell gerne von der Möglichkeit Gebrauch, von zu Hause aus zu arbeiten. Hierbei fällt der Weg ins Büro mit den öffentlichen Verkehrsmitteln weg und auch die Gefahr einer Ansteckung durch erkrankte Kollegen wird gebannt. 

Ein Arbeitnehmer darf aber nicht einseitig entscheiden, fortan aus dem Home-Office zu arbeiten, sondern muss sich mit dem Vorgesetzten dahingehend verständigen. Auch vielen Arbeitgebern wird im Hinblick auf ihre Fürsorgepflicht daran gelegen sein, Mitarbeiter nach Möglichkeit von zu Hause aus arbeiten zu lassen. 

Was gilt, wenn keine Kinderbetreuung mehr gewährleistet wird?

Auch in Hamburg bleiben die Schulen ab dem 16. März geschlossen, der Regelbetrieb in den Kitas wird ebenfalls eingestellt. Viele Eltern sehen sich daher derzeit vor die Herausforderung gestellt sehen, die Kinderbetreuung selbst zu organisieren. 

Ist es Eltern aufgrund dieser Umstände zeitweise nicht möglich, ihre arbeitsvertragliche Pflicht zur Arbeitsleistung zu erfüllen, kommt jedenfalls ein Entschädigungsanspruch nach dem IfSG nicht in Betracht. Das Risiko fehlender Kinderbetreuung trägt grundsätzlich der Arbeitnehmer. Möglicherweise ist der Arbeitgeber aber nach § 616 BGB zur Entgeltfortzahlung verpflichtet. Ein Anspruch nach § 616 besteht aber – abgesehen von den ansonsten umstrittenen Voraussetzungen – nur dann, wenn der Arbeitnehmer vorübergehend verhindert ist. In den aktuell üblichen Fällen, in denen die Schließung des Kindergartens für vierzehn Tage erklärt hat, scheidet ein Anspruch nach § 616 BGB daher von vornherein aus. Dies gilt auch dann, wenn die Anwendung von § 616 schon durch den Arbeitsvertrag wirksam ausgeschlossen ist. 

Was gilt, wenn der öffentliche Nahverkehr eingestellt wird? 

Der Arbeitnehmer trägt grundsätzlich das sogenannte Wegerisiko. Das bedeutet, dass Mitarbeiter selbst einen Weg finden müssen, um zur Arbeit zu gelangen. Diese Pflicht gilt etwa bei schwierigen Witterungsbedingungen und bleibt auch dann bestehen, wenn der öffentliche Nahverkehr zum Schutz vor Infektionen vorübergehen eingestellt werden sollte. Menschen ohne eigenes Auto oder ohne Führerschein müssten kreativ werden, indem sie etwa Fahrgemeinschaften mit Kollegen organisieren oder zur Not mit dem Fahrrad den Weg zur Arbeit antreten. 

Was gilt bei Auftragsmangel oder Lieferengpässen?

Während das Wegerisiko also beim Arbeitnehmer liegt, trägt der Arbeitgeber das sogenannte Wirtschaftsrisiko. Ist also die Arbeitsleistung nicht verwertbar, weil etwa Lieferanten benötigte Vorprodukte nicht mehr liefern können oder die Auftragslage schlecht ist, bleibt der Arbeitgeber weiterhin zur Zahlung des Entgelts verpflichtet. 

In solchen Fällen kann ein Ausgleich über Kurzarbeitergeld in Betracht kommen, um den durch Lieferengpässe oder ausbleibende Aufträge verursachten Arbeitsausfall zu kompensieren. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass der Arbeitgeber Kurzarbeit nicht einseitig im Rahmen seines Weisungsrechts anordnen darf. Voraussetzung für die Verkürzung oder den vollständigen Ausfall der Arbeitszeit wäre, dass eine entsprechende Klausel im Arbeitsvertrag vorhanden ist. Fehlt eine solche, muss der Arbeitgeber eine einvernehmliche Einigung mit seinen Mitarbeitern erzielen, die in die Verkürzung ihrer Arbeitszeit einwilligen müssen. 

Welche Schutzmaßnahmen muss der Arbeitgeber ergreifen?

Hat der Arbeitgeber Kenntnis von der Erkrankung eines Mitarbeiters, muss er ihn nach Hause schicken. Dies gilt aber schon immer aufgrund der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflichten, die jeden Arbeitgeber treffen. 

Zum Schutz der Gesundheit seiner Arbeitnehmer kann der Arbeitgeber praktische Maßnahmen ergreifen, wie etwa die Bereitstellung von Desinfektionsmitteln an geeigneten Standorten oder ein verstärktes Einwirken auf die Mitarbeiter hinsichtlich der Einhaltung von Hygienestandards. 

Sinnvoll kann es derzeit in Unternehmen sein, Besucherlisten zu führen. So können im Fall einer Infektion die möglichen Kontakte leichter ermittelt werden. Das Führen einer Besucherliste wird vom Hausrecht des Arbeitgebers gedeckt. Viele Unternehmen sind zudem dazu übergegangen, Mitarbeiter nach Dienstreisen ins Ausland zunächst im Home-Office arbeiten zu lassen, um die übrige Belegschaft vor einer möglichen Infektion zu schützen. 

Tritt ein echter Verdachtsfall im Betrieb auf, so sollte der Arbeitgeber geeignete Maßnahmen treffen, wie etwa den Beschäftigten sowie dessen enge Kontakte für die Dauer der Inkubationszeit bezahlt freistellen, das Büro zu desinfizieren oder den übrigen Beschäftigten die Arbeit im Home-Office ermöglichen. 

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