Unter Entsendung versteht man grundsätzlich die weisungsgemäße Aufnahme einer Tätigkeit im Ausland für einen in Deutschland ansässigen Arbeitgeber im Rahmen eines inländischen Beschäftigungsverhältnisses. Bei einer kürzeren Dauer wird noch von einer Dienstreise oder einer Abordnung gesprochen, längere bzw. unbefristete Aufenthalte werden als Versetzung bezeichnet. Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz hat nun allerdings nicht in erster Linie mit der Entsendung von deutschen Arbeitnehmern ins Ausland zu tun. In seiner Langform heißt dieses Gesetz nämlich: Gesetz über zwingende Arbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen.
Auf der Grundlage dieses Gesetzes können in Deutschland in bestimmten Branchen Mindeststandards für Arbeitsbedingungen festgelegt werden. Unternehmen bzw. Arbeitgeber, die ihren Sitz in einem anderen EU-Staat als Deutschland haben und in Deutschland Dienst- oder Werkleistungen erbringen wollen, werden durch das AEntG verpflichtet, die hierzulande geltenden arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Mindestbedingungen einzuhalten.
Zwar müssen auch deutsche Arbeitgeber das AEntG beachten, allein schon, um eine verbotene Diskriminierung ausländischer Arbeitgeber aus anderen EU-Staaten zu verhindern – dies war aber zumindest nicht der ursprüngliche Zweck des Gesetzes.
Welche Ziele verfolgt das Arbeitnehmer-Entsendegesetz?
Wenn ausländische Anbieter innerhalb Deutschlands Werk- oder Dienstleistungen erbringen wollen, ist dies häufig mit einer Reihe von Problemen verbunden. Werden Arbeitnehmer eingesetzt, deren Arbeitsbedingungen sich nach dem Recht des Staates richten, in dem der Leistungsanbieter seinen Sitz hat, drohen deutschen Unternehmen im Wettbewerb mit solchen Anbietern potentiell Nachteile. Denn die ausländischen Arbeitsbedingungen liegen insbesondere hinsichtlich der Löhne, Arbeitszeiten oder Urlaubsansprüche unter dem Niveau der deutschen Regelungen. Deutsche Unternehmen sind an das im europäischen Vergleich teure Lohnniveau, das deutsche Arbeitsrecht und das deutsche Sozialversicherungsrecht gebunden. Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz soll daher einen fairen Wettbewerb zwischen deutschen und ausländischen Unternehmen sicherstellen.
Darüber hinaus dient das Arbeitnehmer-Entsendegesetz aber auch dem Mindestarbeitsschutz. Arbeitnehmer dürften nämlich ein Eigeninteresse daran haben, dass insbesondere in den Branchen, in denen bevorzugt ausländische Mitarbeiter nach Deutschland entsandt werden, gewisse Mindeststandards für deutsche wie für ausländische Arbeitnehmer gleichermaßen gelten. Damit wird verhindert, dass sogenannte „Dumpinglöhne“ nach Deutschland importiert werden.
Worin besteht der arbeitsrechtliche Schutz des AEntG?
Mit der 2009 durchgeführten Reform des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes hat sich der Zweck des Gesetzes fortentwickelt. Während ursprünglich das Hauptaugenmerk auf den Schutz der Baubranche vor Niedriglohn-Konkurrenz aus dem europäischen Ausland gerichtet war, manifestiert sich der arbeitsrechtliche Schutz nach dem AEntG vor allem in Mindestlöhnen.
Schon mit dem dem Hinzutreten weiterer Branchen im Jahr 2007, wie etwa Briefdienstleistungen oder Gebäudereinigung, erweiterte sich der Zweck des Gesetzes. Diesen Branchen ist nämlich gemeinsam, dass sie, anders als die Baubranche, nicht unter dem Druck von ausländischen Mitbewerbern stehen, die auf den deutschen Markt drängen. Arbeitnehmer, die in diesen Bereich tätig sind, leben und arbeiten in aller Regel dauerhaft in Deutschland und sind daher auch auf der Grundlage deutscher arbeitsrechtlicher Bestimmungen eingestellt.
Der arbeitsrechtliche Schutz nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz besteht, wenn der Mindestlohn nach dem AEntG nicht unter € 8,84 pro Stunde liegt. Fällt er geringer aus, greift vorrangig der Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG).
Zudem muss der Arbeitgeber auch Leistungen in einem der Bereiche erbringen, die das Arbeitnehmer-Entsendegesetz ausdrücklich nennt.
Neben den drei bereits genannten Branchen regelt das AEntG zwingende Arbeitsbedingungen in den folgenden Bereichen:
• Abfallwirtschaft
• Elektrohandwerk
• Dachdeckerhandwerk
• Maler- und Lackiererhandwerk
• Sicherheitsdienstleistungen
• Wäschereidienstleistungen im Objektkundengeschäft
• Bergbauspezialarbeiten
• Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch
Auch die Pflegebranche wurde 2009 in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz aufgenommen, ist dort allerdings besonderen Regelungen unterworfen. Da in der Pflegebranche besondern viele kirchliche Träger als Arbeitgeber aktiv sind, die sich keinem Tarifvertrag unterwerfen wollen, wurde hier die sogenannte Kommissionslösung gefunden. Eine Tarifvertragspartei oder die kirchliche Arbeitgeber- bzw. Arbeitnehmerseite können die Errichtung einer paritätisch besetzten Kommission beantragen, um Mindestarbeitsbedingungen zu vereinbaren. Per Rechtsverordnung können diese dann für die gesamte Pflegebranche verbindlich gemacht werden.
Als dritte Voraussetzung muss es für die genannten Branchen einen Branchen-Mindestlohntarifvertrag geben. Dieser ist entweder allgemeinverbindlich oder ist aufgrund einer sog. Erstreckungsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) nach § 7 AEntG auf alle unter seinen Geltungsbereich fallenden Arbeitsverhältnisse anzuwenden.
Inwiefern sind deutsche Unternehmen betroffen?
Wie oben bereits erwähnt, werden durch das Arbeitnehmer-Entsendegesetz auch für deutsche Unternehmen Rechtspflichten begründet. Dies gilt insbesondere im Falle einer Erstreckungs-verordnung. § 8 AEntG sieht vor, dass alle, und damit auch inländische Arbeitgeber, von einer Erstreckungsverordnung betroffen sind, wenn sie in einer Branche tätig sind, für die ein erstreckbar erklärter Tarifvertrag gilt. Auch deutsche Arbeitgeber werden insofern von den Mindestlohnregelungen des AEntG in die Pflicht genommen.
Ein Beispiel dafür ist die am 1. Januar 2008 in Kraft getretene Postmindestlohnverordnung, mit der Mindestlöhne innerhalb der Branche Briefdienstleistungen nach Maßgabe des Tarifvertrags für verbindlich erklärt worden sind. Das Bundesverwaltungsgericht erklärte den Mindestlohn im Jahr 2010 allerdings aufgrund formaljuristischer Fehler beim Erlass der Rechtsverordung für rechtswidrig.
Aufzeichnungspflichten nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz
Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz sieht eine Reihe von Aufzeichnungs- und Dokumentations-pflichten vor, die der Arbeitgeber hinsichtlich der Arbeitszeiten der eingesetzten Mitarbeiter beachten muss. Arbeitgeber sind gemäß § 19 AEntG verpflichtet, die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter aufzuzeichnen, also Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeiten zu dokumentieren. Diese Aufzeichnungspflicht umfasst alle Beschäftigten, also seit der 2009 in Kraft getretenen Neufassung auch vom Unternehmen eingesetzte Leiharbeitskräfte.
Diese weitergehenden Aufzeichnungspflichten sollen auch in den Branchen gelten, in denen der tariflich vereinbarte Mindestlohn unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns liegt, wenn der Tarifvertrag für allgemein anwendbar erklärt worden ist. Dies entschied kürzlich das Finanzgericht Hamburg.
Arbeitgeber aus der Landwirtschaft und aus dem Gartenbau hatten sich gegen die weitergehenden Aufzeichnungspflichten gewehrt. Ein vom Gesamtverband der deutschen land- und forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände (GLFA) und der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) festgelegter Tarifvertrag erlaubt noch bis Ende 2017 einen Mindestlohn unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns. Die Generalzolldirektion hatte von Betrieben aus dieser Branche gefordert, dass sie auch im Übergangszeitraum vom 1.1.2015 bis 31.12.2017 den Aufzeichnungspflichten gemäß § 19 AEntG für alle Mitarbeiter nachkommen, statt nach § 17 MiLoG nur für geringfügig Beschäftigte. Das Finanzgericht Hamburg bestätigte nun die Verpflichtung für Arbeitgeber aus Landwirtschaft und Gartenbau, Aufzeichnungen über Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit aller Mitarbeiter gemäß § 19 AEntG zu führen.
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