Lebenslänglich – Was bedeutet das in Deutschland?

Bereits 1949 wurde in der alten BRD die Todesstrafe abgeschafft und 1987 wurde auch in der DDR beschlossen, die diese Form der Strafe aus den Strafgesetzen zu streichen, nachdem sie zuvor schon lange kein Mittel der normalen Strafjustiz darstellte. Seitdem ist die lebenslange Freiheitsstrafe die schwerste Strafe, die das deutsche Recht vorsieht. Dieses Urteil fordert die Bundesanwaltschaft nun aktuell für die Hauptangeklagte im NSU-Prozess, Beate Zschäpe. Anlass genug, sich einmal mit der Frage zu beschäftigen, was der Richterspruch „lebenslänglich“ im deutschen Recht eigentlich genau bedeutet.

 

Lebenslange Freiheitsstrafe – Wirklich ein Leben lang?

 

Anders als der Wortlaut vermuten lässt, bedeutet „lebenslänglich“ nicht, dass ein solchermaßen Verurteilter zwangsläufig sein restliches Leben bis zum Tod in der Strafvollzugsanstalt verbringen wird – wobei es im Ausnahmefall dazu kommen kann. Wer in Deutschland zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt wird, verbringt im Durchschnitt 18 Jahre hinter Gittern. Mehrfach lebenslängliche Urteile werden übrigens seit der 1986 beschlossenen Änderung des Strafrechts nicht mehr ausgesprochen – spektakuläre Strafen von 40-mal lebenslang, wie man sie beispielsweise aus den USA kennt, sieht das deutsche Rechtssystem nicht vor.

 

Bei Mord nach § 211 StGB wird zwingend eine lebenslange Freiheitsstrafe gefordert; das Gesetz sieht hier bei einem erwachsenen und voll schuldfähigem Täter keinen Ermessensspielraum vor. Dieses Urteil droht aber auch in besonders schweren Fällen des Totschlags. Das Völkerstrafgesetzbuch verlangt auch bei Völkermord, Verbrechen  gegen die Menschlichkeit und bei bestimmten Kriegsverbrechen in Form der vorsätzlichen Tötung das Urteil „lebenslänglich“.

 

Verhängt das Gericht eine lebenslange Strafe, so kann nach 15 Jahren ein Antrag darauf gestellt werden, vorzeitig auf Bewährung entlassen zu werden. Wird dieser Antrag abgelehnt, kann er alle zwei Jahre vom Strafgefangenen erneut gestellt werden. Eine gute Führung und eine günstige Sozialprognose begünstigen die Aussichten auf Erfolg, wenn es um die Aussetzung der Strafe zur Bewährung geht – maßgeblich ist, ob der Strafgefangene eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt.

 

Mit dem wörtlichen Begriff der lebenslangen Freiheitsstrafe stimmt die tatsächliche Rechtslage also nur bedingt überein. Aus gutem Grund: Denn mit Blick auf die Menschenwürde hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass grundsätzlich jedem Verurteilte die Perspektive gegeben werden muss, sich wieder in die Gesellschaft eingliedern zu können. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn das Gericht die „besondere Schwere der Schuld“ festgestellt hat. Der Täter kann dann nur noch in Ausnahmefällen vorzeitig freikommen, beispielsweise aufgrund einer schweren Erkrankung oder weil der Strafgefangene ein sehr hohes Alter erreicht hat. Die Automatik des § 57a StGB, der nachträglich eingefügt wurde, wird also ausdrücklich außer Kraft gesetzt, wenn eine „zusammenfassende Würdigung von Tat und Täterpersönlichkeit“ ein Verbrechen als besonders schwerwiegend erscheinen lässt.

 

Die besondere Schwere der Schuld

 

Bei einer lebenslangen Haftstrafe muss sich das Tatgericht automatisch mit der Frage um die Schuldschwere befassen. Diese Regelung wurde geschaffen, um bei besonders schlimmen Taten, die gegenüber anderen, ähnlichen Taten auf ein höheres Maß an Schuld hindeuten, eine Möglichkeit zur weiteren Differenzierung zu schaffen. Für den Begriff der besonderen Schwere der Schuld gibt es keine gesetzliche Definition – im Mittelpunkt der Prüfung stehen vielmehr die Gesamtumstände von Tat und Täter. War beispielsweise ein Motiv besonders verwerflich, das Vorgehen extrem brutal oder hat der Täter mehrere Opfer getötet, könnten wichtige Gründe für eine besondere Schwere der Schuld vorliegen. Wie lange ein Täter dann de facto in Haft verbringt, unterscheidet sich von Fall zu Fall. Grundsätzlich gilt, dass nach 13 Jahren Haft auf Antrag ein Verfahren eingeleitet wird, dessen Gegenstand die sogenannte Mindestverbüßungsdauer ist. Es erfolgt also quasi ein „Urteil nach dem Urteil“, in dem das Gericht darüber entscheidet, wie lange der Strafgefangene noch mindestens in Haft bleiben muss, ehe er eine erste Chance erhält, auf Bewährung entlassen zu werden. Dabei wird nicht nur die Tat bzw. das ergangene Urteil an sich  berücksichtigt. Wichtig ist auch das Verhalten im Strafvollzug und wie sich der Verurteilte zu seiner Tat verhält. Begibt sich der Häftling in Therapie, kann sich dies unter Umständen ebenfalls günstig auf die Sozialprognose auswirken.

 

[caption id="attachment_3257" align="aligncenter" width="1000"] Mopic / shutterstock[/caption]

 

Sicherungsverwahrung

 

Zusätzlich zur Freiheitsstrafe hat das Gericht die Möglichkeit, die Sicherungsverwahrung anzuordnen und zwar, wenn „die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist“. Anders als die lebenslange Haftstrafe ist die Sicherheitsverwahrung keine Strafe im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr eine „freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung“. Sie soll die Allgemeinheit vor Tätern schützen, von denen auch nach Verbüßung einer Freiheitsstrafe weiterhin eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht. Die Unterbringung ist unbefristet, muss aber in regelmäßigen zeitlichen Abständen erneut geprüft werden. Das System der Sicherungsverwahrung wurde 2013 neu geregelt und muss sich seither stärker vom eigentlichen Strafvollzug abgrenzen. Der Schwerpunkt liegt dabei insbesondere auf therapeutischer Hilfe. Bedeutung erlangt das Konzept der Sicherheitsverwahrung vor allem bei zeitlich begrenzten Freiheitsstrafen. Denn wer ohnehin eine lebenslange Haftstrafe verbüßen muss, wird daraus nur entlassen, wenn das Gericht ihn für nicht mehr gefährlich hält. Die Entlassung auf Bewährung wird also unter den gleichen Bedingungen gewährt, unter denen auch eine etwaig angeordnete Sicherungsverwahrung ausgesetzt werden muss. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass eine Bewährungsaufsicht nach 5 Jahren endet, während Auflagen, die gegen einen freigelassenen Sicherheitsverwahrten verhängt worden sind, unter Umständen länger und intensiver wirken können.

 

[caption id="attachment_3258" align="aligncenter" width="1000"] BortN66 / shutterstock[/caption]

 

Höchststrafe für Beate Zschäpe

 

Für die Hauptangeklagte im beispiellosen NSU-Prozess wird eine lebenslange Haftstrafe sowie die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld gefordert. Sie sei der Mittäterschaft bei zehn Morden, zwei Bombenanschlägen und 15 Raubüberfällen überführt, so der Bundesanwalt Herbert Diemer. Auch eine anschließende Sicherungsverwahrung hält die Bundesanwaltschaft angesichts des „hohen Risikos“ ähnlicher Taten für unerlässlich. Eine Schuldunfähigkeit, die zu einer milderen Strafe führen könnte, liegt nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft nicht vor. Günstig auswirken könnten sich einzig die lange Prozessdauer und die Untersuchungshaft, die beide für die Angeklagte belastend gewirkt haben – insbesondere die mediale Berichterstattung spielt hier eine Rolle. Viel entscheidender für die genaue Dauer ihrer Haftstrafe wäre für Beate Zschäpe allerdings ihr weiteres Verhalten nach dem Urteil sein. Entschließt sie sich beispielsweise dazu, sich doch noch umfassend zu den Morden und den weiteren Verantwortlichen zu äußern, so könnte dies die Mindestverbüßungsdauer möglicherweise reduzieren. Eine Entscheidung darüber, wann Zschäpe das erste Mal die Chance erhält, auf Bewährung entlassen zu werden, wird das Gericht frühestens im Jahr 2024 treffen.

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