XING-Profil als Kündigungsgrund?

Soziale Medien beeinflussen weite Teile unseres Privatlebens – schöne Momente, besondere Ereignisse, erreichte Ziele: Sie alle werden fleißig auf Instagram, Facebook und Co. geteilt. Doch nicht nur im Privatleben haben die Errungenschaften von Social Media einen wahren Siegeszug angetreten. Auch für die Arbeitswelt spielen die Aktivitäten im Netz eine wichtige Rolle. Im Beruf geht es heutzutage ebenfalls kaum noch ohne die sozialen Netzwerke. Viele Arbeitnehmer nutzen Social-Media-Plattformen, um sich Dritten gegenüber auch in einem beruflichen Kontext zu präsentieren. Dabei alles richtig zu machen, ist nicht immer leicht. Und manchmal kann die Darstellung im Netz auch eine gänzlich unerwartete Wirkung haben.

 

Fluch oder Segen?

 

Sich potentiellen Arbeitgebern zu präsentieren oder mit dem eigenen Netzwerk im stetigen Kontakt zu bleiben, war noch nie so unkompliziert möglich wie heute - Plattformen wie XING oder LinkedIn sei Dank. Grundsätzlich funktionieren berufliche Netzwerke dabei nicht anders als ihre Gegenstücke aus dem privaten Bereich. Nach erfolgreicher Registrierung kann der Nutzer ein Profil mit Angaben über die eigene Person füllen, Kontakte zu anderen Mitgliedern aufbauen und pflegen und sich über öffentliche oder private Nachrichten austauschen. Im Gegensatz zum kreativen Zeitvertreib steht hier aber die eigene Karriere im Mittelpunkt. Ein aussagekräftiges Profil auf einem der einschlägigen beruflichen Netzwerke kann ein entscheidender Vorteil sein. Denn viele Unternehmen suchen inzwischen gezielt auf diesem Wege nach geeigneten Mitarbeitern. Karriereplattformen können daher das ideale Medium sein, um an den sogenannten „verdeckten“ Stellenmarkt zu gelangen, also an nicht ausgeschriebene Jobs.

 

Dabei ist es natürlich wichtig, sich von seiner besten Seite zu zeigen. Deshalb sollte man sich als Arbeitnehmer zuvor genau überlegen, was man in seinem Profil angibt – und was nicht. Besonders wichtig sind auch die Einstellungen zu Sicherheit und Privatsphäre. Denn schließlich dürfte das Profil auf einer Karriereplattform häufig mehr sensible Daten enthalten als etwa ein Facebook-Account.

 

[caption id="attachment_3377" align="aligncenter" width="1000"] VGstockstudio / shutterstock[/caption]

 

Keine Kündigung wegen XING-Profil während Schwangerschaft

 

Doch eine Präsenz auf beruflichen Netzwerken kann mitunter auch unangenehme Begleiterscheinungen haben. Diese Erfahrung musste eine Arbeitnehmerin machen, die von ihrem Arbeitgeber gekündigt wurde. Die Frau war seit 2013 bei ihrem Arbeitgeber beschäftigt und erhielt ab Februar 2015 aufgrund ihrer Schwangerschaft ein Beschäftigungsverbot bis zur Geburt des ersten Kindes. Im Anschluss daran ging sie in Elternzeit.

 

Nachdem die Frau am 28.06.2016 ihrem Arbeitgeber per Mail mitgeteilt hatte, dass sie ihren Resturlaub aus den Jahren 2015 und 2016 gerne im Anschluss an die Elternzeit nehmen würde, lehnte dieser ihren Wunsch ab und forderte sie auf, am 29.6.2016 pünktlich zum Arbeitsbeginn im Betrieb einzutreffen.

 

Nachdem die Frau dann am 29.06.2016 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ihrer Frauenärztin wegen einer erneuten Schwangerschaft vorgelegt hatte, kündigte der Arbeitgeber ihr ohne Angabe von Gründen noch am selben Tag ordentlich zum 31.10.2016.

 

Die Arbeitnehmerin reichte dagegen eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Berlin ein. Das Gericht stellte fest, dass die Kündigung wegen der Schwangerschaft unwirksam war, versagte der Frau aber einen Anspruch auf Vergütung. Aufgrund des Profils der Klägerin bei der Karriereplattform XING, stellte das Gericht zudem fest, dass berechtigte Zweifel am bescheinigten Beschäftigungsverbot bestünden.

 

Gegen diese Entscheidung legte die Frau Berufung ein – mit Erfolg. Denn allein ein vorhandenes Nutzerprofil bei XING stelle keinen Verstoß gegen das Beschäftigungsverbot dar, entschied das Gericht. Die Pflege eines solchen Profil bedeutete nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg auch nicht, dass das durch die Frauenärztin bescheinigte Beschäftigungsverbot unrichtig ist. Bei XING handelt es sich um eine Plattform zur Verwaltung beruflicher Kontakte – sie stellt aber keine Arbeitsvermittlung dar. Deswegen ist es einer schwangeren Arbeitnehmerin nicht untersagt, während eines Beschäftigungsverbots oder dem Mutterschutz ein solches Profil zu unterhalten.

 

[caption id="attachment_3376" align="aligncenter" width="1000"] Peshkova / shutterstock[/caption]

 

Statusänderung bei XING als Konkurrenztätigkeit?

 

Auch der Kläger eines Verfahrens vor dem Landesarbeitsgericht Köln besaß ein XING-Profil. Das Gericht musste in diesem Fall entscheiden, ob ihm fristlos gekündigt werden durfte, weil er seinen Berufsstatus auf der Plattform zu „Freiberufler“ geändert hatte.

 

Der Mann war Mitarbeiter einer Steuerberaterkanzlei und hatte mit seinem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag vereinbart, der das Arbeitsverhältnis nach mehrmonatiger Auslauffrist einvernehmlich beenden sollte. Kurz bevor das Anstellungsverhältnis dann tatsächlich endete, änderte der Mitarbeiter im beruflichen Netzwerk XING seinen beruflichen Status zu „Freiberufler“. Dies erfuhr der Arbeitgeber und ging aufgrund der Änderung davon aus, dass der Angestellte eine freiberufliche Tätigkeit bewerben und auf diesem Wege aktiv Mandanten abwerben wollte. Aus diesem Grund sprach er daraufhin die fristlose Kündigung aus. Damit war der Arbeitnehmer jedoch überhaupt nicht einverstanden und erhob Klage.

 

Das Landesarbeitsgericht Köln gab dem Kläger recht und entschied, dass der geänderte Berufsstatus für die fristlose Kündigung nicht ausreichte.

Zwar ist es richtig, dass Arbeitnehmer während eines noch bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht in Konkurrenz zu ihrem Arbeitgeber treten dürfen. Es ist allerdings nicht verboten, die spätere Konkurrenztätigkeit, die nach Beendigung des bisherigen Jobs ausgeübt werden soll, vorzubereiten. Dabei darf die Grenze zur unzulässigen Konkurrenztätigkeit bzw. aktiven Werbung für eine solche zwar nicht überschritten werden – dies war allerdings allein durch den fehlerhaften Status bei der Karriereplattform nach Ansicht des Gerichts auch nicht der Fall. Zusätzlich hätten weitere Umstände vorliegen müssen, die eine aktiv nach außen tretende Werbung für eine Konkurrenztätigkeit nahegelegt hätten. Da der Kläger den bisherigen Arbeitgeber im XING-Profil weiterhin als aktuell angegeben hatte und er auch unter der Rubrik „Ich suche“ keine Angaben dazu gemacht hatte, dass er freiberufliche Mandate suche, erklärte das Gericht die Kündigung für unwirksam.

 

Die Grenzen sind fließend

 

Die Entscheidung zeigt aber auch, dass eine unzulässige Konkurrenztätigkeit durch ein XING-Profil durchaus denkbar wäre. Die zur Entlastung des Arbeitnehmers angeführten Punkte deuten darauf hin, dass bei anderer Sachlage die Kündigung möglicherweise Bestand gehabt haben könnte. Arbeitnehmer dürfen auf Social-Media-Plattformen zu beruflichen Zwecken also nicht völlig uneingeschränkt tätig werden.

Ob die Grenze zwischen der erlaubten Vorbereitung einer zukünftigen Konkurrenztätigkeit und einer unzulässigen aktiven Außenwerbung überschritten ist, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab. Rücksichtnahmepflichten gegenüber dem Arbeitgeber dürfen aber keinesfalls überschritten werden.

 

Klare Regeln können helfen

 

In Anbetracht der vielfältigen arbeitsrechtlichen Fragestellungen die mit dem Gebrauch sozialer Medien einhergehen können, empfiehlt es sich, im beidseitigen Interesse sowohl von Arbeitnehmer als auch von Arbeitgeber, klare Regeln aufzustellen. Immer mehr Arbeitgeber erstellen deshalb Social-Media-Richtlinien, die den Angestellten das korrekte Verhalten in diesem Zusammenhang erleichtern und Risiken verringern sollen.

 

Mit unserer Kompetenz als Fachanwälte für Arbeitsrecht, helfen wir – Dr. Granzin Rechtsanwälte – Ihnen gern bei Rechtsunsicherheiten oder sonstigen Fragestellungen rund um das Thema soziale Medien in der Arbeitswelt weiter.

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