Kindererziehung ist harte Arbeit und nicht selten alles andere als erholsam. Kehren Eltern dem Büroalltag den Rücken, um in Elternzeit zu gehen, erwerben sie zwar grundsätzlich einen Urlaubsanspruch – diesen darf der Arbeitgeber nach deutschem Recht jedoch kürzen. Diese Kürzungsmöglichkeit steht auch im Einklang mit Unionsrecht, entschied nun kürzlich das Bundesarbeitsgericht (BAG).
Arbeitsverhältnis in der Elternzeit
Mütter und Väter, die sich der Erziehung ihres Kindes widmen wollen, können in Elternzeit gehen. Wird Elternzeit nach dem Bundeseltern- und Elternzeitgesetz (BEEG) in Anspruch genommen, ruht das Arbeitsverhältnis zeitlich befristet für die Dauer der Elternzeit.
Da das Arbeitsverhältnis also während der Elternzeit andauert, können grundsätzlich auch in dieser Zeit Urlaubsansprüche erworben werden. Die Vorschrift des § 17 BEEG sieht allerdings eine Kürzungsmöglichkeit für den Arbeitgeber vor: Mitarbeitern, die sich in Elternzeit befinden, kann der Urlaub anteilig um ein Zwölftel für jeden vollen Monat Elternzeit gekürzt werden.
Kürzung des Urlaubsanspruchs
Will der Arbeitgeber also verhindern, dass dem Arbeitnehmer auch während der Elternzeit der volle Urlaubsanspruch entsteht, muss er aktiv von der Kürzungsmöglichkeit des § 17 BEEG Gebrauch machen, indem er dem Mitarbeiter gegenüber eine ausdrückliche Kürzungserklärung abgibt. Zu beachten ist dabei, dass die Kürzung allerdings nur für volle Kalendermonate greift – beginnt oder endet die Elternzeit also während eines Monats, scheidet eine Kürzung für diesen aus.
Kürzung des Urlaubs europarechtskonform?
In der Vergangenheit war jedoch immer wieder fraglich, ob diese Regelung in Einklang mit europarechtlichen Vorgaben zum Recht auf bezahlten Jahresurlaub steht. Denn dass Arbeitnehmer einen Anspruch auf vier Wochen bezahlten Jahresurlaub haben, ergibt sich nicht nur aus dem deutschen Bundesurlaubsgesetz (BUrlG), sondern folgt auch aus Art. 7 der europäischen Arbeitszeit-Richtlinie 2003/88/EG. In dieser Frage hat nun das BAG in einer aktuellen Entscheidung Stellung bezogen.
Die aktuelle Entscheidung des BAG
Eine Arbeitnehmerin, die seit 2001 als Assistentin der Geschäftsleitung bei einem Unternehmen tätig war, befand sich längere Zeit in Elternzeit – so unter anderem durchgehend vom Januar 2013 bis zum Dezember 2015. Am 23.03.2016 kündigte sie zum 30.06.2016 und beantragte mit der Kündigung Urlaub für die verbleibende Zeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses. Bei der Berechnung ihres Urlaubsanspruches bezog sie die während der knapp dreijährigen Elternzeit entstandenen Urlaubsansprüche ein. Der Arbeitgeber gewährte der Mitarbeiterin Urlaub, berücksichtigte dabei unter Berufung auf die Kürzungsmöglichkeit des § 17 BEEG den auf die Elternzeit entfallenden Urlaub jedoch nicht. Die Arbeitnehmerin stellte sich auf den Standpunkt, dass ihr der ungekürzte Urlaubsanspruch aus der Elternzeit zustehe und klagte daraufhin auf die Abgeltung von 89,5 Urlaubstagen. Dabei rügte sie auch die Europarechtswidrigkeit von § 17 BEEG.
Wirksame Kürzung der Urlaubsansprüche
Damit blieb die Klägerin jedoch erfolglos: Weder in erster Instanz vor dem Arbeitsgericht Detmold noch vor dem Landesarbeitsgericht Hamm bekam die Arbeitnehmerin Recht und auch vor dem BAG zog sie schließlich den Kürzeren. Die Kürzung des auch während der Elternzeit grundsätzlich entstehenden Urlaubsanspruchs nach § 17 BEEG sei zulässig, so die Richter. Ein Verstoß gegen Unionsrecht sei in der Kürzung nicht zu erblicken. Denn Arbeitnehmer in einer Elternzeit müssten nicht aufgrund europarechtlicher Vorgaben solchen Arbeitnehmern gleichgestellt werden, die in diesem Zeitraum tatsächlich gearbeitet haben.
EuGH erlaubt Urlaubskürzung bei Elternzeit
Dabei konnten sich die Richter auch auf ein neueres Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) aus Oktober 2018 stützen. Darin hatte der EuGH zu einer rumänischen Regelung zur Urlaubskürzung während der Elternzeit Stellung genommen. Denn das rumänische Arbeitsrecht sieht nicht nur eine Kürzungsmöglichkeit für den Urlaub während der Elternzeit vor, sondern kürzt diesen automatisch.
Eine rumänische Richterin verlangte von ihrem Dienstherrn anteiligen Urlaub für eine Elternzeit von 7,5 Monaten. Als dieser nicht gewährt wurde, zog die Frau vor Gericht. Die mit der Entscheidung befassten Richter legten den Fall dem EuGH vor, der die Regelung für europarechtskonform hielt und somit die Frage zugunsten der Arbeitgeber entschied. In der Begründung betonte der Gerichtshof, dass der bezahlte Mindestjahresurlaub seinen Zweck in der Erholung des Arbeitnehmers habe – dies setze aber voraus, dass der Mitarbeiter während des Bezugszeitraums auch tatsächlich gearbeitet habe.
Unterschied zu Krankheit und Mutterschutz
Urlaubsansprüche, die während der Elternzeit erworben wurden, werden insoweit also anders behandelt als solche, die während des Mutterschutzes oder einer Krankheit entstehen. Denn bei Letzteren darf der Urlaubsanspruch nicht davon anhängig gemacht werden, dass ein Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet hat. Dies sei aber deshalb zulässig, weil die unterschiedlichen Konstellationen gar nicht vergleichbar seien.
Eine Krankheit tritt unvorhersehbar auf und richtet sich nicht nach dem Willen des Arbeitnehmers. Dies sei bei der Elternzeit anders, so der EuGH – zudem leide der Arbeitnehmer während dieser Zeit auch nicht an psychischen oder physischen Beschwerden, wie sie durch eine Erkrankung typischerweise hervorgerufen werden.
Auch beim Mutterschutz stellt sich die Situation anders dar: Das Beschäftigungsverbot während der Schwangerschaft und direkt nach der Entbindung soll die (werdende) Mutter schützen und die besondere Beziehung zum Kind ermöglichen. Elternzeit hingegen wird freiwillig in Anspruch genommen.
Unsicherheiten beseitigt
Schon durch das EuGH-Urteil aus dem vergangenen Jahr wurden bestehende Zweifel an der Zulässigkeit der Kürzung von Urlaubsansprüchen während der Elternzeit beseitigt. Somit konnte das BAG darauf verzichten, seinerseits das Verfahren auszusetzen und ein entsprechendes Vorabentscheidungsverfahren beim Gerichtshof einzuleiten. Zweifel an der Vereinbarkeit des § 17 BEEG mit Europarecht dürften mit der Entscheidung des BAG nun restlos beseitigt sein.
Damit gilt: Ist für den Arbeitnehmer erkennbar, dass der Arbeitgeber von der Kürzungsmöglichkeit des § 17 BEEG Gebrauch machen will, steht einer Wirksamkeit der Kürzung nichts entgegen. Dabei gilt das Kürzungsrecht des Arbeitgebers nicht nur für den gesetzlichen Mindesturlaub, sondern erfasst auch den vertraglich vereinbarten Mehrurlaub. Dies steht allerdings unter der Voraussetzung, dass die Vertragsparteien keine von § 17 BEEG abweichenden Sonderregelungen für den Mehrurlaub getroffen haben.
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