Einen Großteil seiner Zeit verbringt man am Arbeitsplatz – bei einer angenehmen Arbeitsatmosphäre mit netten Kollegen ist das für viele Arbeitnehmer keine so schlimme Vorstellung. Es geht allerdings auch anders: Wo Menschen über Jahre auf engem Raum miteinander arbeiten, kann auch ein Reizklima entstehen. Kollegen kann man sich schließlich nicht aussuchen und in einer Bürogemeinschaft können auch Konflikte oder sogar richtige Feindschaften entstehen. In diesem Zusammenhang fällt oft der Begriff des „Mobbing“. Aber was genau ist darunter eigentlich zu verstehen und kann man gegen Mobbing rechtlich vorgehen? Wir schauen uns das Thema heute genauer an.
Nicht jeder Konflikt ist Mobbing
Kleine, und mitunter auch grenzwertige Späße unter Kollegen sind Teil des Arbeitslebens und nicht jeder, der Ärger mit Kollegen oder dem Chef hat, ist automatisch von Mobbing betroffen. Deswegen sollte man zunächst klären, was unter diesem Begriff eigentlich zu verstehen ist. Mobbing ist kein Rechtsbegriff, es handelt sich vielmehr um eine tatsächliche Erscheinung, die es aber dennoch rechtlich zu würdigen gilt. Der Begriff des „Mobbing“ entspricht im Wesentlichen dem der „Belästigung“ aus § 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Demnach liegt Mobbing vor, wenn unerwünschte Verhaltensweisen bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betroffenen Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird – so heißt es in einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) aus dem Jahr 2007.
Beim Mobbing gilt es aber die Besonderheit zu beachten, dass nicht eine einzeln abgrenzbare Handlung, sondern eine Zusammenfassung mehrerer Einzelhandlungen im Verlauf zu einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts oder der Gesundheit des betroffenen Mitarbeiters führen kann. Auch einzelne Handlungen, die isoliert betrachtet rechtlich unerheblich sein mögen, können im Gesamtkontext die Annahme von Mobbing begründen.
Wann wird gemobbt?
Ob Konflikte am Arbeitsplatz so gravierend sind, dass von Mobbing gesprochen kann, lässt sich anhand einiger Kriterien bestimmen:
- der betroffene Arbeitnehmer wird von Kollegen oder Vorgesetzten angefeindet, schikaniert oder diskriminiert Dies ist etwa der Fall, wenn ein Arbeitnehmer wegen seines Geschlechts oder seiner ethnischen Zugehörigkeit verspottet wird. Auch das Zuweisen sinnloser oder nicht zu bewältigender Aufgaben kann schikanös sein, ebenso wie der vollständige Entzug von Arbeitsaufträgen.
- Der Arbeitnehmer befindet sich dabei in einer unterlegenen Position Von einer unterlegenen Position ist insbesondere dann auszugehen, wenn der Betroffene einer ganzen Gruppe, also einer Mehrzahl von Gegnern ausgeliefert ist. Auch anonyme Anschuldigungen, gegen die der Betroffene sich praktisch nicht zur Wehr setzten kann, können eine unterlegene Position begründen.
- die feindseligen Handlungen werden über einen längeren Zeitraum hinweg und systematisch vorgenommen Zwei oder drei Wochen andauernde Reibereien mit Vorgesetzten oder Kollegen rechtfertigen noch nicht die Annahme eines „längeren Zeitraums“.
- es gibt keinen rechtfertigenden Grund für die vorgenommenen Handlungen
Zudem stellt sich die Frage, ob es möglicherweise einen sachlichen Grund für die als schikanös empfundenen Handlungen gibt. Dies könnte etwa bei harter, aber sachlicher und berechtigter Kritik der Fall sein. Auch die Zuweisung unangenehmer Aufgaben kann durch das Weisungsrecht des Arbeitgebers gerechtfertigt sein. Es ist also immer im konkreten Fall genau zu prüfen, ob die beanstandeten Handlungen tatsächlich Mobbing anzusehen sind, denn die Grenze zwischen Alltagskonflikten und systematischer Schikane sind oft fließend.
[caption id="attachment_3484" align="aligncenter" width="1000"] Antonio Guillem / shutterstock[/caption]
Welche Ansprüche haben Betroffene?
Wer Opfer von Mobbing ist, kann sich zur Geltendmachung etwaiger Ansprüche keiner spezifisch auf das Mobbing zugeschnittenen Anspruchsgrundlage bedienen. Ansprüche gegen Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen können daher nur geltend gemacht werden, wenn arbeitsrechtliche Pflichten, ein Schutzgesetz, oder ein sogenanntes absolutes Recht des Arbeitnehmers verletzt wurden. Schadensersatzansprüche können sich dann sowohl aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) als auch aus dem AGG ergeben. Zu beachten ist jedoch, dass das AGG nur in solchen Fällen Anwendung findet, in denen eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität erfolgt.
Handelt es sich bei den Schikanen um strafbare Handlungen, etwa wenn der Tatbestand der Beleidigung oder der sexuellen Nötigung erfüllt ist, kann der Geschädigte Strafanzeige erstatten und von den Tätern auf zivilrechtlichem Weg Unterlassung verlangen. Dabei kommt es nicht darauf an, von wem die Rechtsverletzungen verübt worden sind.
Das richtige Vorgehen als Arbeitgeber
Der Arbeitgeber hat nach § 241 BGB Fürsorgepflichten gegenüber seinen Arbeitnehmern. Auch trifft ihn eine Hinweispflicht gegenüber seinen Beschäftigten, bezogen auf die Unzulässigkeit von belästigenden oder schikanösen Verhaltensweisen. Ein betroffener Arbeitnehmer kann also beispielsweise verlangen, dass sich der Arbeitgeber schützend vor ihn stellt, also etwa die Urheber der Schikanen abmahnt oder versetzt. Verletzt der Arbeitgeber diese Schutzpflichten, kommen vertragliche und unter Umständen auch deliktische Schadensersatzansprüche des betroffenen Arbeitnehmers in Betracht.
Dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, seine Mitarbeiter vor Mobbing durch Kollegen oder Vorgesetzte zu schützen, bedeutet allerdings nicht, dass er bei jeder Meinungsverschiedenheit zwischen Arbeitnehmern sofort eingreifen muss. Schließlich gilt es auch zu bedenken, dass der Umgang von Arbeitnehmern untereinander und auch zu Vorgesetzten im Arbeitsalltag zwangsläufig auch mit dem ein oder anderen Konflikt einhergeht.
[caption id="attachment_3486" align="aligncenter" width="1000"] ra2studio / shutterstock[/caption]
Was sollten Betroffene tun?
Nur noch mit Bauschmerzen zur Arbeit gehen zu können, ist kein tragbarer Zustand. Am besten ist daher ein proaktives Vorgehen, ehe aufgrund der empfundenen Belastung körperliche oder seelische Beschwerden auftreten. Wer das Verhalten von Kollegen oder seinem Vorgesetzten als schikanös empfindet, sollte daher zunächst das Gespräch mit dem Arbeitgeber suchen. Hilfreich kann es sein, vorab Fakten zu sammeln und Beweise zu sichern, um dem Arbeitgeber entsprechende Anhaltspunkte an die Hand zu geben. Dieser sollte dann im Rahmen seiner Fürsorgepflichten zeitnah geeignete Schritte ergreifen, um den betroffenen Mitarbeiter zu schützen. Ignoriert der Arbeitgeber die Probleme, kann das Mobbingopfer unter Umständen Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitgeber geltend machen. Diese Ansprüche gerichtlich durchzusetzen, kann sich allerdings schwierig und zeitaufwändig gestalten. Schon deshalb sollten die beanstandeten Handlungsweisen der Urheber möglichst genau dokumentiert werden.
Sollten Sie kompetente Beratung rund um das Thema Mobbing wünschen oder rechtlichen Beistand bei Vorbereitung oder Durchführung einer Klage benötigen, stehen wir – Dr. Granzin Rechtsanwälte - ihnen gerne mit unserer langjährigen Erfahrung auf dem Gebiet des Arbeitsrechts zur Seite.
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