Nach mehr als einem Jahr der zähen Verhandlungen ist es nunmehr beschlossene Sache: Das EU- Parlament verabschiedete die neue Waffenrichtlinie. Innerhalb von 15 Monaten müssen die Mitgliedsstaaten der Union das schärfere Waffenrecht nun umsetzen. Besonders Jäger und Sportschützen dürften jedoch erleichtert aufatmen – ihnen werden großzügige Ausnahmen zugestanden.
Nach dem Terroranschlag von Paris im November 2015 hatte die EU-Kommission eine Überarbeitung der Waffenrichtlinie beschlossen, um sich auf strengere Regeln für Schusswaffen zu einigen. Die neuen Regelungen bleiben aber aufgrund des starken Widerstands einiger Abgeordneter hinter den ursprünglichen Vorschlägen der Kommission zurück. Welche Verschärfungen die neue Richtlinie dennoch vorsieht und wie sich die deutsche Rechtslage damit ändern wird, schauen wir uns im Folgenden an.
Was ändert sich im Waffenrecht?
Im Mittelpunkt stand vor allen Dingen ein Verbot halbautomatischer Sturmgewehre. Vollautomatische Waffen schießen im Dauerfeuer, sobald der Abzug betätigt wird, während Halbautomaten nur einen Schuss abgeben und dann selbsttätig nachladen. Diese Waffen ermöglichen daher ein Schießen mit großer Präzision bei immer noch recht schneller Schussfolge. Das Hauptaugenmerk der Kommission war insbesondere auf deshalb sie gerichtet, weil Waffen dieser Art immer wieder bei Terroranschlägen oder Amokläufen zum Einsatz kamen.
Durch die neue Richtlinie werden für Privatleute künftig verboten sein:
- vollautomatische und militärische Waffen
- vollautomatische Waffen, die zu halbautomatischen umgebaut wurden
- Kurzwaffen mit Magazinen von mehr als 20 Schuss
- Langwaffen mit mehr als 10 Schuss
Waffen, die zu Schreckschusswaffen umgebaut wurden, sollen zukünftig in ihrer ursprünglichen Verbotskategorie verbleiben. Bislang blieben sie nach dem Umbau ohne Regulierung – mit oftmals dramatischen Konsequenzen. Im vergangenen August benutzte der Täter beim Amoklauf in München eine einst zur Theaterwaffe umfunktionierten Pistole, um neun Menschen und anschließend sich selbst zu töten. Auch die Terroristen, die im Januar 2015 den Anschlag auf die Redaktion des französischen Satiremagazins „Charlie Hebdo“ verübten, hatten für ihre Tat zum Teil zurückgebaute entschärfte Waffen verwendet. Die Mitgliedsstaaten sind gehalten, fortan eine Behörde mit der Kontrolle deaktivierter Waffen zu betrauen. Sie muss prüfen, ob umgebaute Versionen ehemals scharfer Waffen tatsächlich dauerhaft unbrauchbar gemacht worden sind und nicht wieder instand gesetzt werden können. In Hinblick darauf, dass es in der Vergangenheit nur allzu leicht war, im Ausland erworbene Dekowaffen wieder funktionsfähig zu machen, erscheint diese Regelung so sinnvoll wie notwendig.
Auch die Ermittlungen nach Verbrechen sollen durch die Richtlinie erleichtert werden. Deshalb müssen künftig alle wichtigen Teile von Schusswaffen markiert werden. Damit soll verhindert werden, dass einzelne Bestandteile verkauft werden. Mittels elektronischer Registrierung jeder Transaktion durch Händler in den EU-Staaten sollen dann Datenbanken aufgebaut werden, deren Informationen die Identifizierung und Rückverfolgung von Schusswaffen möglich macht. In Zukunft sollen auch Museen und Sammler unter die Kontrolle fallen, wobei ihnen der Kauf von Kriegswaffen unter Einhaltung gewisser Auflagen weiterhin möglich sein wird.
Die Richtlinie sieht zudem regelmäßige ärztliche und physiologische Überprüfungen der Halter von Schusswaffen vor. Auch ein verstärkter Austausch von Informationen unter den Mitgliedstaaten soll für mehr Sicherheit sorgen. Personen, die in einem Land keine Waffe erwerben können, sollen nicht die Möglichkeit haben, einfach auf ein anderes EU-Land auszuweichen.
Wie stark sich die Richtlinie letzten Endes auswirken wird, hängt auch immer vom jeweils geltenden Waffenrecht der einzelnen EU-Länder ab. Das deutsche Waffenrecht ist schon jetzt in den meisten Punkten strenger als die überarbeitete Richtlinie und muss dementsprechend nicht angepasst werden – an der deutschen Rechtslage dürfte sich im Ergebnis also kaum etwas ändern.
Ausnahmen für Jäger und Sportschützen
Vor allem Jäger und Sportschützen hatten im Zuge der Verhandlungen jedoch mit empfindlichen Beschränkungen gerechnet. So war im vergangenen Jahr im Gespräch, alle halbautomatischen Waffen zu verbieten, die mehr als sechs Schuss ohne Nachladen abfeuern können – dies hätte besonders Sportschützen hart getroffen. Die weitgehenden Ausnahmen sind auch auf die intensive Lobbyarbeit von Sportschützen und Jagdverbänden zurückzuführen. Ihre Anstrengungen waren von Erfolg gekrönt, denn sie dürfen in Deutschland weiterhin halbautomatische Pistolen und Gewehre erwerben und sind auch sonst nicht von größeren Einschränkungen betroffen.
Zukünftig weniger Terroranschläge?
Kritische Stimmen bezweifeln, dass die verschärfte Richtlinie Terroranschläge verhindern kann. Terroristen erwerben ihre Waffen auf dem Schwarzmarkt, der naturgemäß jeder staatlichen Kontrolle entzogen ist. Nach Ansicht der Gewerkschaft der Polizei könnte die Reform aber möglicherweise die Zahl der Amokläufe und Unfälle im Zusammenhang mit Schusswaffen reduzieren.
Bundestag und Bundesrat beraten derzeit über die geplante Änderung des Waffengesetzes. Hier gehen insbesondere den Grünen die geplanten Reformen nicht weit genug. Sie brachten daher einen Antrag zur weiteren Verschärfung ein, der allerdings mehrheitlich abgelehnt wurde.
Schon die Richtlinie der Kommission fiel am Ende der Verhandlungen wesentlich milder aus, als nach den ersten Vorschlägen zu erwarten war. Die aufgeheizte Stimmung unter dem Eindruck der Anschläge von Paris und Brüssel hatte zunächst eine breite Mehrheit für verschärfende Reformen gewinnen können. Im Laufe der Zeit gelang es jedoch, auch den gemäßigteren Positionen Gehör zu verschaffen.
Illegale Waffen als Hauptproblem
Das Hauptproblem im Zusammenhang mit Straftaten sind nicht legal erworbene Waffen, sondern vielmehr illegale Waffen. Deshalb müssten wirklich effektive Maßnahmen auch an dieser Stelle ansetzen und nicht einzelnen Berufsgruppen oder Sportlern ein Übermaß an Bürokratie aufbürden. Mehr Energie zur Bekämpfung des illegalen Waffenhandels könnte dagegen einen entscheidenen Beitrag zur öffentlichen Sicherheit leisten. Bis zu zwanzig Millionen illegale Schusswaffen gibt es nach Schätzungen von Experten allein in Deutschland. Angesichts solcher Zahlen wehren sich auch die entsprechenden Verbände, in denen legale Waffenbesitzer organisiert sind, gegen einen auf sie abzielenden Generalverdacht. Es bestehe kein Zusammenhang zwischen terroristischen Anschlägen der jüngeren Vergangenheit und dem derzeit geltenden Waffenrecht.
Auch der Amokschütze von München soll seine Waffe illegal erstanden haben – im Darknet, dem verschlüsselten Teil des Internets, in dem die illegale Waffenszene ohnehin floriert. Dort werden scharfe Waffen aller Art angeboten und können mit ein wenig technischem Know-How erworben werden. Da die Daten in aller Regel verschlüsselt übertragen werden, ist das Darknet schwer zu überwachen – zwar ist die Angst vor verdeckten Ermittlern seit einer Reihe von spektakulären Festnahmen gestiegen, aber fest steht weiterhin: Dieser Form der Kriminalität lässt sich nicht mit einer Verschärfung des Waffenrechts oder strengeren Auflagen für legale Waffenbesitzer Herr werden.
Sollten Sie aufgrund von Beruf oder Passion weitergehende Fragen zur aktuellen Rechtslage haben, steht ihnen das Team von Dr. Granzin Rechtsanwälte gerne mit langjähriger jagd- und waffenrechtlicher Expertise zur Seite. Weiterführende Informationen rund um diesen Themenbereich finden sie hier.
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