Nicht ganz Chef, aber auch kein Arbeitnehmer wie jeder andere: Als leitender Angestellter nimmt man eine Sonderstellung ein und bewegt sich gewissermaßen zwischen den Polen. Mit dieser Stellung gehen sowohl Vor- als auch Nachteile einher. Und obwohl der Begriff in der Arbeitswelt sehr gebräuchlich ist, sind tatsächlich nur die wenigsten Arbeitnehmer als leitende Angestellte in arbeitsrechtlicher Sicht anzusehen.
[caption id="attachment_3307" align="aligncenter" width="1000"] mojo cp / shutterstock[/caption]
Wer ist leitender Angestellter?
Was aber macht aus einem Angestellten denn nun einen leitenden Angestellten? Festzuhalten bleibt zunächst: Eine allgemeingültige Definition dieses Begriffes gibt es nicht. Man sollte allerdings beachten, dass die gewählte Formulierung im Arbeitsvertrag keine verlässliche Aussage darüber trifft, ob man als leitender Angestellter anzusehen ist. Dass dieser Begriff in Ihrem Arbeitsvertrag also unter Umständen verwendet wird, hilft bei der Frage, ob sich daraus auch rechtliche Auswirkungen ergeben, nicht weiter, denn: Der Status lässt sich nicht einfach durch Vertrag bestimmen.
Der Gesetzgeber verwendet den Begriff des „leitenden Angestellten“ jedoch in mehreren Gesetzen. Die zentrale Vorschrift dabei ist § 5 Abs. 3 des Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), nach der die Regelungen dieses Gesetzes (von wenigen Ausnahmen abgesehen) auf leitende Angestellte nicht angewendet werden. Für diesen Status werden im BetrVG drei Fallgruppen unterschieden. Leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG ist, „wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb“:
- zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist und/oder wer
- Generalvollmacht oder Prokura hat, wobei die Prokura im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend sein darf und/oder wer
- regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind und deren Erfüllung besonderer Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt.
Insbesondere für den letzten Punkt ist es entscheidend, dass Sie diese Aufgaben im Wesentlichen frei von Weisungen erledigen oder sie maßgeblich beeinflussen. Entweder besitzt man also einen rechtlichen und auch tatsächlich nicht unerheblichen Entscheidungsspielraum oder man bereitet die Entscheidung im Einzelnen so vor, dass der Entscheidungsträger die Vorschläge berücksichtigen muss.
An dieser Entscheidungsfreiheit mangelt es, wenn die Aufgaben durch Richtlinien oder sonstige Vorgaben soweit vorprogrammiert werden, dass der Tätigkeit letztendlich nur noch ausführender Charakter zukommt. Typische leitende Angestellte in einem Unternehmen sind beispielsweise Prokuristen, Personalleiter oder sonstige Führungskräfte auf höchster Hierarchieebene.
Zu beachten ist, dass die Definition des Betriebsverfassungsgesetzes nicht einheitlich gilt. Die verschiedenen arbeitsrechtlichen Vorschriften verlangen für die Einstufung als leitender Angestellter die Erfüllung verschiedener Kriterien. Der Rechtsbegriff des leitenden Angestellten spielt auch im Kündigungsschutzgesetz (KSchG) eine entscheidende Rolle, auf die wir noch zu sprechen kommen werden.
Nicht nur ein Grund zur Freude
Der Status als leitender Angestellter erhöht Einkommen und Prestige, ist also ein Sprung nach oben auf der Karriereleiter. Mehr Kompetenzen und mehr Geld – also eigentlich nur Vorteile. Die rechtlichen Besonderheiten, die durch diesen Status begründet werden, sind aber weitgehend unbekannt. Häufig wird deshalb übersehen, dass mit dem Gewinn an Verantwortung auch ein gewisser Verlust an arbeitsrechtlichem Schutz verbunden ist.
Für den leitenden Angestellten gelten andere Regelungen als für die meisten Arbeitnehmer. So wird das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) auf sie nicht angewendet. An sich dürfen Arbeitnehmer gemäß § 3 des Arbeitszeitgesetzes wegen des sozialen und gesundheitlichen Schutzes nicht länger als acht Stunden pro Werktag (Montag - Samstag) arbeiten. Eine Verlängerung der zulässigen auf maximal zehn Stunden je Tag ist nur dann zulässig, wenn die durchschnittliche Arbeitszeit innerhalb eines sog. „Ausgleichszeitraumes“ acht Stunden täglich nicht übersteigt. Darüber hinaus ist die zeitliche Verfügbarkeit für den Arbeitgeber, insbesondere was Nachtarbeit und Ruhezeiten betrifft, gesetzlich eingeschränkt.
Zwar erhalten leitende Angestellte in aller Regel ein überdurchschnittliches Gehalt, aber dafür beschränkt sich ihre Arbeitszeit dann eben nicht auf eine 38,5-Stunden-Woche und auch Mehr-, Sonn- und Feiertagsarbeit ist üblicherweise bereits abgegolten. Überstunden werden nur dann bezahlt, wenn dies ausdrücklich vereinbart wurde.
Generell gilt außerdem: Der Betriebsrat ist für leitende Angestellte nicht zuständig und muss daher insbesondere im Falle einer Kündigung nicht angehört werden. Wenn Personal abgebaut werden soll und betriebsbedingte Kündigungen erfolgen, führt die Unzuständigkeit des Betriebsrat dazu, dass leitende Angestellte nicht zu den begünstigten Arbeitnehmern eines Sozialplans gehören und dementsprechend auch keinen Anteil der Abfindungen erhalten.
Entgegen einem weit verbreiteten Mythos gilt das Kündigungsschutzgesetz auch für leitende Angestellte. Ist ein leitender Angestellter bereits mehr als sechs Monate beschäftigt und ist der Betrieb des Arbeitgebers kein Kleinbetrieb mit zehn oder weniger Arbeitnehmern, kann er bei einer Kündigung durch seinen Arbeitgeber auf die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes berufen und Kündigungsschutzklage erheben. Allerdings ist in mancher Hinsicht der allgemeine Kündigungsschutz eines leitenden Angestellten begrenzt. Er kann sich zwar, wie andere Arbeitnehmer auch, gerichtlich gegen eine Kündigung wehren. Der Arbeitgeber wiederum kann im Kündigungsschutzverfahren jederzeit einen Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses stellen, auch wenn kein Kündigungsgrund vorliegt. Das Gericht muss diesem Auflösungsantrag in jedem Fall stattgeben, auch wenn es etwa davon überzeugt ist, dass keine Störung des Vertrauensverhältnisses vorliegt. Das Arbeitsverhältnis wird dann gegen Zahlung einer, in das Ermessen des Gerichts gestellten, Abfindung aufgelöst. Sich in den Job zurückzuklagen ist als leitender Angestellter also unmöglich.
[caption id="attachment_3306" align="aligncenter" width="1000"] Matej Kastelic / shutterstock[/caption]
Privilegien – aber auch mehr Pflichten
Zudem haben leitende Angestellte aufgrund ihrer Nähe zum Arbeitgeber und der damit verbundenen exponierten Stellung im Unternehmen auch deutlich höhere Treuepflichten als ein normaler Arbeitnehmer. Zwischen ihnen und dem Arbeitgeber besteht ein besonderes Vertrauensverhältnis, sodass sie im besonderen Maße zur Wahrung der Unternehmensinteressen verpflichtet sind. Auch dies kann mit Nachteilen verbunden sein. Beispielsweise stellt die Rechtsprechung an eine ordentliche Kündigung aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen geringere Anforderungen als es gemeinhin üblich ist. Auch kleine Verfehlungen können sich daher zu Lasten des leitenden Angestellten auswirken. Zudem treffen sie erhöhte Rechenschafts-, Prüfungs-, Warnungs- und Überwachungspflichten.
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