Bei der Arbeitszeit kann es auf jede Sekunde ankommen: Ganz genau nahm es vor kurzem ein Arbeitgeber, der einen Mitarbeiter beim Fußball schauen „ertappte“. Das kurze Vergnügen dauerte zwar nur circa 30 Sekunden, zog aber beträchtliche Konsequenzen in Form einer Abmahnung nach sich. Das wollte der Arbeitnehmer, ein Ford-Mitarbeiter, nicht hinnehmen und zog vor Gericht. Dort klagte er auf Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte – jedoch ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht Köln hielt die Maßnahme für gerechtfertigt, da zwei Zeugen bestätigten, dass der Mitarbeiter per Live-Stream das Fußballspiel auf einem dienstlichen PC jedenfalls für die Dauer einer halben Minute verfolgt und während dieser Zeit seine Arbeitsleistung nicht erbracht habe.
Abzuwarten bleibt zunächst, ob der Arbeitnehmer gegen das Urteil Berufung einlegt. Der Fall sorgte allerdings für beträchtliches mediales Aufsehen, sodass wir uns aus diesem Anlass näher mit den Themen Arbeitszeit und Arbeitszeitverstoß befassen wollen.
Arbeitszeit – Was heißt das genau?
Grundsätzlich ist man als Arbeitnehmer verpflichtet, die geschuldete Arbeitszeit zu erbringen. Die genaue Dauer der Arbeitszeit ist im Arbeitsvertrag oder in einem für das Arbeitsverhältnis einschlägigen Tarifvertrag geregelt. Anfang und Ende der täglichen Arbeitszeit legt in der Regel der Arbeitgeber fest, sodass man als Arbeitnehmer die Arbeitszeit nicht nach Belieben verschieben oder nachholen kann. Da in einer Firma oder einem Betrieb üblicherweise zahlreiche Arbeitsprozesse koordiniert werden müssen, würde der Ablauf massiv gestört werden, wenn jeder Mitarbeiter einfach nach Lust und Laune erscheint. Den gesetzlichen Rahmen der Arbeitszeit, beispielsweise in Hinsicht auf die tägliche Höchstarbeitsdauer oder Pausen, regelt das Arbeitszeitgesetz (ArbZG).
Und was ist ein Arbeitszeitverstoß?
Verhält man sich hinsichtlich der Arbeitszeiten abweichend zu den Anweisungen des Arbeitgebers, so ist dies als Arbeitszeitverstoß zu werten. Wie schwer ein solcher Verstoß wiegt, hängt dabei aber natürlich von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab.
Häufig wird in Betrieben die genaue Arbeitszeit der einzelnen Mitarbeiter erfasst, etwa durch Zeitkarten, elektronische Zeiterfassung oder durch Stundenzettel, die vom Arbeitnehmer auszufüllen und vom Arbeitgeber abzuzeichnen sind. Macht man hier falsche Angaben oder nutzt das Arbeitszeiterfassungssystem nicht wie vorgesehen, begeht man einen Arbeitszeitbetrug zu Lasten des Arbeitgebers. Schließlich lässt man sich bezahlen, ohne auch dafür zu arbeiten. Schummelei dieser Art kann zu einer Abmahnung und, bei wiederholten Verstößen, zu einer ordentlichen Kündigung führen. In besonders schwerwiegenden Fällen rechtfertigt der Arbeitszeitbetrug sogar eine außerordentliche fristlose Kündigung. Für die Frage, ob eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sein kann, kommt es zum einem insbesondere auf den Umfang des Vertrauensbruchs an und zum anderen darauf, ob und inwieweit dem Arbeitgeber ein Schaden entstanden ist.
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz hielt eine Kündigung für rechtmäßig, die gegenüber einem Arbeitnehmer ausgesprochen wurde, der wiederholt eine Anweisung seines Arbeitgebers missachtet hatte. Obwohl Raucherpausen in dem Unternehmen nur mit Ein-und Ausloggen aus der Zeiterfassung gestattet worden waren, hielt sich der Mitarbeiter nicht an diese Anweisung. Nachdem er aus diesem Grund bereits zwei Abmahnungen erhalten hatte, kündigte ihm der Arbeitgeber, als er schon nach kurzer Zeit erneut „erwischt“ wurde.
[caption id="attachment_3254" align="aligncenter" width="1000"] 372897550 Stokkete / shutterstock[/caption]
Ist auch Zu-Spät-Kommen ein Arbeitszeitverstoß?
Ganz knapp die Bahn verpasst, zu lange im Berufsverkehr gestanden oder verschlafen – beinah jeder von uns kommt hin und wieder einmal zu spät. Das pünktliche Erscheinen am Arbeitsplatz fällt jedoch in den Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers, sodass es sich bei einer Verspätung streng genommen auch um einen Arbeitszeitverstoß handelt. Natürlich wird bei einem Mal deswegen keine Kündigung ausgesprochen – solange das pünktliche Eintreffen am Arbeitsplatz der Regelfall bleibt. Wie aber sieht es aus, wenn man immer wieder zu spät kommt?
Als Arbeitnehmer ist man verpflichtet, genügend Zeit für den Arbeitsweg kalkulieren – mehrfache Verspätungen, etwa durch den morgendlichen Berufsverkehr, können zu einer Abmahnung führen. Wer trotzdem chronisch unpünktlich bleibt, muss danach mit einer Kündigung rechnen.
Auch die Dauer der Verspätung spielt eine Rolle: Wer mehrere Stunden verspätet erscheint oder unentschuldigt sogar einen ganzen Tag der Arbeit fernbleibt, muss natürlich eher mit Konsequenzen rechnen, als ein Arbeitnehmer, der sich lediglich um wenige Minuten verspätet.
Gesundheitliche Probleme entbinden übrigens nicht von der Verpflichtung zur Pünktlichkeit. Ein Arbeitnehmer, der aufgrund von Schlafstörungen starke Schlafmittel eingenommen hatte und deswegen mehrfach beträchtlich verspätet zur Arbeit erschien, durfte entlassen werden. Nachdem der Arbeitgeber den Mitarbeiter zweimal erfolglos abgemahnt hatte, sprach er die ordentliche verhaltensbedingte Kündigung aus. Eine Kündigungsschutzklage des entlassenen Mitarbeiters blieb ohne Erfolg. Zwar hatte der Mann nicht nur einen Wecker benutzt, sondern auch Ehefrau und Schwiegermutter gebeten, ihn zu wecken, um pünktlich bei der Arbeit erscheinen zu können. Dass diese Maßnahmen allerdings nicht von Erfolg gekrönt waren, fiel in den Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers.
Wer also gerne mal den Wecker überhört, sollte auf andere Weise sicherstellen, dass Verspätungen eine Ausnahme bleiben.
[caption id="attachment_3253" align="aligncenter" width="1000"] Glen Jones / shutterstock[/caption]
Keine voreiligen Schlüsse ziehen
Der Vorwurf des Arbeitszeitbetrugs sollte dennoch nicht vorschnell erhoben werden. Schließlich ist es auch nicht ausgeschlossen, dass es bei der Arbeitszeiterfassung zu einem Fehler kommt, ohne das Betrugsabsicht vorgelegen hätte. Häufig ist es in Fällen des Arbeitszeitbetrugs auch so, dass der Arbeitgeber keine wirklich zwingenden Beweisen für den Pflichtverstoß des Arbeitnehmers hat, sondern seinen Vorwurf lediglich auf Verdachtsmomente stützen kann. Dann kann er zwar eine Verdachtskündigung aussprechen, muss aber versuchen, den Sachverhalt vorab aufzuklären und zudem dem betroffenen Arbeitnehmer ein faires Anhörungsgespräch ermöglichen. Wenn auch eine Abmahnung ausreichend sein kann, um einen bei der Zeiterfassung schummelnden Mitarbeiter wieder auf den richtigen Weg zu bringen, wäre eine verhaltensbedingte Kündigung unverhältnismäßig und daher unwirksam.
So sah es das Arbeitsgericht Berlin bei einem Fall aus dem Jahr 2011: Eine 46-jährige Sachbearbeiterin war bei einer Hausverwaltung in Gleitzeit tätig. Die Zeiterfassung erfolgte in dem Unternehmen anhand von Excel-Tabellen. Als der Arbeitgeber dann feststellte, dass die Mitarbeiterin an mehreren Tagen früher gegangen war als in der Tabelle angegeben, sprach er nach einem Personalgespräch die Kündigung aus. Die Kündigungsschutzklage der Frau hatte Erfolg, weil in den Augen des Gerichts auch eine Abmahnung genügt hätte. Dieser Wertung schloss sich auch das Berufungsgericht an.
Besonders wichtig in diesem Zusammenhang ist auch der Ablauf des zuvor stattfindenden Personalgesprächs. Der Arbeitgeber sollte in jedem Fall vorher den Gegenstand des Gesprächs benennen und dem Arbeitnehmer die Gelegenheit geben, eine Vertrauensperson hinzuzuziehen.
Wer sich als Arbeitnehmer plötzlich im Personalgespräch mit gravierenden Vorwürfen konfrontiert sieht, sollte am besten gar keine spontanen Aussagen machen. Stattdessen empfiehlt es sich, die Vorwürfe zu notieren und dem Vorgesetzten mitzuteilen, dass man sich zeitnah zur Sache äußern werde.
Bei allen rechtlichen Fragen rund um das schwierige Thema Arbeitszeitbetrug stehen wir – Dr. Granzin Rechtsanwälte – ihnen gerne mit unserer Kompetenz und Erfahrung auf dem Gebiet des Arbeitsrechts zur Seite.
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