Vom Krimi in die Realität und wieder zurück: Vom „Beschuldigten“ zum Ende des Verfahrens ohne Strafe

Post von der Staatsanwaltschaft oder Vorladung der Polizei? Ein Strafverfahren kann auch bei „Otto Normalverbrauchern“ schneller über einen hereinbrechen, als man denkt: sei es durch einen auf einer Party aus dem Ruder gelaufenen Streit, die unsaubere Handhabung der Steuererklärung oder gar eine falsche Verdächtigung. Um dieses Kapitel so schnell wie es aufkam auch wieder zu schließen bedarf es überlegter Schritte zur Abwehr bzw. Abfederung der Vorwürfe, um den persönlichen und wirtschaftlichen Schaden so gering wie möglich zu halten oder bestenfalls ganz zu vermeiden. Grundsätzlich gilt, dass man nur Ladungen der Staatsanwaltschaft Folge zu leisten hat, als Beschuldigter ist man jedoch nicht verpflichtet einer Vorladung der Polizei zu entsprechen. Ein guter Verteidiger wird stets als allererstes die Optionen prüfen,  das Ermittlungsverfahren so schnell und reibungslos wie möglich zu beenden. Ist dies aussichtslos oder lässt die Staatsanwaltschaft sich hierauf nicht ein, besteht jedoch auch nach Anklageerhebung noch die Möglichkeit der Einstellung des Verfahrens.

Die Einstellung mangels hinreichenden Tatverdachts

Es gibt für einen Verteidiger mehrere Möglichkeiten die Einstellung eines Verfahrens zu erreichen. Im Optimalfall wird etwa mithilfe des Vortrags entlastender Tatumstände oder Vorlage eines Gegenbeweises darauf hingewirkt, dass sich der Tatverdacht nicht erhärten lässt, sodass die Staatsanwaltschaft mangels hinreichenden Tatverdachts das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO einstellen muss.

Die Einstellung wegen Geringfügigkeit

Die nächste Möglichkeit wäre eine Einstellung wegen Geringfügigkeit nach § 153 StPO zu erreichen.

  • Dies ist dann in Betracht zu ziehen, wenn es sich bei der vorgeworfenen Tat nur um ein Vergehen handelt, das heißt eine Straftat, die nicht mit einer Mindeststrafandrohung von einem Jahr belegt ist. Dies ist bei den meisten Straftaten wie zum Beispiel Diebstahl, Betrug und Körperverletzung der Fall.
  • Ferner müsste die Schuld des Täters als gering einzuschätzen sein Eine Schuld ist als gering einzuordnen, wenn sie erheblich unter dem Grad der Vorwerfbarkeit vergleichbarer üblicher Taten anzusiedeln ist.
  • Darüber hinaus darf kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung Am öffentlichen Interesse mangelt es in der Regel etwa bei Ersttätern.
  • Wenn diese Voraussetzungen vorliegen und das zuständige Gericht zustimmt, kann die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung Abstand nehmen und das Verfahren einstellen.

In der Praxis ist diese Vorgehensweise eine willkommene Lösung, um Massenverfahren auf diese Weise zu beenden, um der Flut an Verfahren bei Gericht und Staatsanwaltschaft entgegenzuwirken. Für den Beschuldigten stellt dies ebenfalls eine angenehme Lösung dar, da er straflos bleibt und auch keinen Eintrag in das Bundeszentralregister geschweige denn im polizeilichen Führungszeugnis erhält. Das Bundeszentralregister erfasst grundsätzlich alle Verurteilungen, ist jedoch nur für einzelne Behörden ersichtlich; das polizeiliche Führungszeugnis weist nur Verurteilungen ab einer bestimmten Höhe aus und kann etwa vom Arbeitgeber verlangt werden.

Die Einstellung gegen Auflagen und Weisungen

Ist die Tat nicht mehr im Bereich der Geringfügigkeit, ist dennoch die Möglichkeit einer Einstellung gegen Auflagen oder Weisungen gemäß § 153a StPO zu prüfen. Eine solche Verfahrensbeendigung kommt in Betracht, wenn etwa wenn die Rechts- und Beweislage eindeutig gegen den Beschuldigten spricht und daher eine Verurteilung überwiegend wahrscheinlich ist. Diese Vorgehensweise kann durchaus von Vorteil sein, da der Mandant keine Strafe im Sinne des StGB erhält. Diese Form der Einstellung ist zwar im Unterschied zur Einstellung wegen Geringfügigkeit nicht folgenlos, denn meist muss etwa eine Summe an die Staatskasse oder eine gemeinnützige Einrichtung gezahlt werden, allerdings bleibt dem Beschuldigten das Stigma einer Vorstrafe erspart: Eine Schuld wurde nicht festgestellt, die Unschuldsvermutung gilt fort, der Mandant gilt weiterhin als „unbestraft“, eine Eintragung in das Bundeszentralregister erfolgt nicht und daher auch nicht im Führungszeugnis. Die erforderlichen Voraussetzungen sind denen der Einstellung wegen Geringfügigkeit  ähnlich.

EinstellungAnklage/ StrafbefehlEinstellung ohne Auflagen 29 % Einstellung mit Auflagen 4 % Kein hinreichender Tatverdacht 32 %  Strafbefehl 8 % Anklage 10 %

Quelle: destatis.de

  • Die Schwere der Schuld darf einer Einstellung nicht entgegenstehen. Grundsätzlich gilt, dass eine Einstellung gegen Auflagen bei Delikten bis in den Bereich der „mittleren Kriminalität“ denkbar ist. Was unter mittlerer Kriminalität im Einzelnen zu verstehen ist, ist ebenso eine Frage des Einzelfalls wie die „Schwere der Schuld“. Klar ist hingegen, dass die Einstellung gegen Auflagen nicht nur bei geringfügigen Bagatellverstößen in Betracht kommt, sondern auch bei schwerwiegenderen Anschuldigungen.
  • Das öffentliche Interesse an einer Bestrafung darf einer Einstellung wiederum nicht entgegenstehen. Hierzu gilt das oben bereits Erläuterte mit dem Zusatz, dass Einstellungen nach § 153a StPO oder nach § 153 StPO  in der jüngeren Vergangenheit tendenziell für die Bejahung eines öffentlichen Interesses sprechen.
  • Zudem müssen die Staatsanwaltschaft und das Gericht der Einstellung zustimmen.
  • Da den Beschuldigten nun durch die Auflagen und Weisungen belastende Folgen treffen, muss auch er – im Unterschied zur Einstellung wegen Geringfügigkeit – der Einstellung zustimmen.

Ob und wann welche Einstellungen in Betracht kommen ist wie immer eine Frage des Einzelfalls. Speziell die Einstellung gegen Auflagen und Weisungen kann besonders günstig sein, wenn die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung in einem späteren Hauptverfahren als besonders hoch einzuschätzen ist.

Die Entscheidung, wenn welche Verfahrensbeendigung anzustreben ist, sollte jedoch immer einem erfahrenen Fachanwalt für Strafrecht überlassen werden. Sollten die Polizei oder Staatsanwaltschaft gegen Sie ermitteln, Anklage erhoben oder etwa einen Strafbefehl erlassen haben, stehen wir, Dr. Granzin Rechtsanwälte, Ihnen gerne mit unserer über zwei Jahrzehnte währenden Expertise und Kompetenz als Fachanwälte für Strafrecht fachlich und menschlich zur Seite.

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