Untersuchungshaft – Wie sollte man sich verhalten?

Untersuchungshaft – Wie sollte man sich verhalten?

Untersuchungshaft – Wie sollte man sich verhalten?

Wie verhält man sich im Sinne einer optimalen Strafverteidigung?

In Deutschland wird jährlich bei rund 25.000 Taten die Untersuchungshaft angeordnet, bei etwa 20.000 hiervon folgt durch späteres Urteil tatsächlich die Strafhaft. Die übrigen verlieren für Tage, Wochen oder sogar Monate ihre Freiheit und sehen sich nicht selten nach ihrer Haftentlassung einem privaten sowie beruflichen Scherbenhaufen gegenüber. Im Falle von ungerechtfertigter Haft gibt es nur einen schwachen Trost: Das Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) sieht pro Tag der Freiheitsentziehung eine Entschädigung von ernüchternden 25 Euro vor, der Verlust eines ganzen Tages Freiheit ist dem Staat scheinbar nur eine Übernachtung in einer heruntergekommenen Jugendherberge wert. Vermögensschäden, die ohne die Haft erspart geblieben wären, sind nur unter strengen Voraussetzungen und Anrechnung ersparter Aufwendungen ersatzfähig. Umso wichtiger ist eine kompetente individuelle Strafverteidigung vom Zeitpunkt der Festnahme an!

Die Verhaftung und Unterbringung in der Untersuchungshaftanstalt ist zumindest bei der ersten Erfahrung in aller Regel ein Schock. Besonders die meist plötzliche Inhaftierung und der damit verbundene abrupte Verlust der Freiheit stellt eine erhebliche Belastung dar. Daher ist der Beistand von Familie und Freunden in dieser Situation besonders wichtig wie auch die richtige anwaltliche Vertretung um zu wissen, wie man sich vom Zeitpunkt der Verhaftung an zu verhalten hat, um nicht die Verteidigungsmöglichkeiten bereits zu diesem Zeitpunkt unnötig einzuschränken und möglichst zeitnah wieder freizukommen. Ein solches unumkehrbares Fehlverhalten könnte sich gravierend im später unter Umständen folgenden Prozess niederschlagen. Mithilfe eines versierten Verteidigers wird dies vermieden.

Wie kann es zu einer Unterbringung in der U-Haft kommen?

Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens verdichtet sich der Verdacht bezüglich der Begehung einer Straftat durch eine Person. Alternativ ist natürlich eine sofortige Festnahme möglich, wenn der vermeintliche Täter „auf frischer Tat ertappt wurde“. Zum Erlass eines Haftbefehls, der die sofortige Verhaftung und Zuführung dieser Person zur Untersuchungshaftanstalt bzw. in Polizeigewahrsam anordnet oder bestätigt, müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein.

Erstens muss gegen die im Haftbefehl genannte Person dringender Tatverdacht bestehen, die in Rede stehende Straftat begangen zu haben. Dies stellt den höchsten Verdachtsgrad des Ermittlungsverfahrens dar, während bloße Anhaltspunkte für eine Straftat im Sinne eines sog. Anfangsverdachts ausreichen, um grundsätzliche Ermittlungen in Gang zu setzen.

Zweitens muss ein sog. Haftgrund gemäß § 112 Abs.2 StPO vorliegen. Diese sind namentlich Flucht, Fluchtgefahr, Wiederholungsgefahr sowie Schwere der Tat und Verdunkelungsgefahr. Unter Verdunkelungsgefahr versteht man die Absicht des Täters beispielsweise Zeugen zu beeinflussen oder Beweise zu vernichten bzw. beiseite zu schaffen.
Ein weiterer und zugleich sehr umstrittener Haftgrund ist der der Tatschwere gemäß § 112 Abs. 3 StPO. Dieser unterscheidet sich von den übrigen Haftgründen, da er nicht auf den präventiven Sicherungszweck des Ermittlungsverfahrens, sondern allein auf die Schwere des Delikts wie etwa Mord, Totschlag, schwere Körperverletzung oder besonders schwere Fälle der Brandstiftung abstellt. Aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken fordert die Rechtsprechung in diesen Fällen daher, dass ein Haftgrund nach § 112 Abs. 2 StPO immerhin nicht ausgeschlossen sein darf, da ansonsten die U-Haft den Charakter einer reinen Verdachtsstrafe erhielte.

Drittens und zuletzt muss die Freiheitsentziehung in Relation zum Tatverdacht bzw. Tatvorwurf insgesamt verhältnismäßig sein. Dies hat den Hintergrund, dass die U-Haft ausschließlich das Ziel hat das Strafverfahren zu sichern, indem etwa verhindert wird, dass der vermeintliche Täter auf freiem Fuß das Verfahren beeinflusst oder sich dem Verfahren entzieht. Einen Strafcharakter hat die U-Haft indes jedenfalls nach dem Willen des Gesetzgebers nicht. Dennoch wird die Untersuchungshaft in der Regel auf die spätere Freiheits- oder Geldstrafe angerechnet.

Regel Nr.1: Keine Aussage machen!

Weder im Zuge der Festnahme, noch danach in Haft sollten über bloße Personalien hinausgehende Angaben gemacht werden. Besonders Polizisten drängen festgenommene Personen oft dazu sich zum Tatvorwurf zu äußern, da man sich so „Strafmilderungen“ verschaffen könne. Die Polizei hat jedoch keinerlei Entscheidungsgewalt hierüber, diese liegt einzig und allein beim Gericht. Eminent wichtig ist es, diesen falschen Versprechungen zu widerstehen, denn eine Aussage kann noch bis zum letzten Verhandlungstag vor Gericht getätigt werden. Im Gegenzug ist der Schaden, den eine Aussage ohne anwaltliche Beratung verursachen kann, irreversibel. Bestehen Sie also auf ihr Recht zu schweigen, auf das Sie zwingend hinzuweisen sind.

Regel Nr.2: Umgehend einen Strafverteidiger kontaktieren!

Spätestens nach Ankunft im Untersuchungsgefängnis bzw. in der Polizeiwache sollte unbedingt von dem Recht Gebrauch gemacht werden, telefonisch Kontakt mit einem Fachanwalt für Strafrecht aufzunehmen.Wahlweise können natürlich auch Angehörige kontaktiert werden, die sich dann um die Beauftragung eines sorgfältig ausgesuchten Strafverteidigers kümmern. Dieser wird dann das weitere Vorgehen prüfen und mit dem Mandanten besprechen. Zunächst wird Ihr Anwalt natürlich insbesondere Möglichkeiten ins Auge fassen, durch die die U-Haft beendet werden kann. Darüber hinaus ist es für eine individuelle, hochwertige Beratung wichtig möglichst früh das Hauptverfahren vorzubereiten, um etwa für den Mandanten günstige Tatumstände aufzudecken bzw. zu analysieren um so die effektivste Verteidigung zu gewährleisten.

Wird kein Verteidiger bemüht, so wird das Gericht einen auswählen, da es sich bei Untersuchungsinsassen nach § 140 Abs.1 Nr.4 StPO stets um einen sog. Fall der notwendigen Verteidigung handelt, mit anderen Worten muss der Häftling anwaltlichen Beistand erhalten. Beide haben das Recht ungehindert sich in der Haft zu treffen sowie mündlich und schriftlich zu kommunizieren. Die Post des Verteidigers ist die einzige die nicht vom Personal der Anstalt kontrolliert werden darf. Eine Beiordnung eines solchen Pflichtverteidigers seitens des Gerichts sollte aufgrund des besonderen Vertrauensverhältnisses des Mandanten zum Anwalt vermieden werden. Denn sobald ein Pflichtverteidiger beigeordnet wird, ist ein Anwaltswechsel nur unter äußerst strikten Bedingungen wie Fernbleiben, Weigerung oder einen massiven Vertrauensbruch seitens des Verteidigers möglich.

Gefangene in Deutschland nach Haftart

 MännerFrauenFreiheitsstrafe41.1602.614Untersuchungshaft11.526680Jugendstrafe3.796149Sonstige Freiheitsentziehung1.22368Sicherungsverwahrung5201Insgesamt58.2253.512

 © Statista 2016

Was erwartet den Insassen nach der Festnahme?

Spätestens am Folgetag der Festnahme muss der Häftling dem Haftrichter vorgeführt werden, der dann ggf. entweder einen Haftbefehl erlässt oder die sofortige Freilassung veranlasst. Hat ein Ermittlungsrichteretwa aufgrund vorausgegangener Fahndung bereits einen Haftbefehl erlassen, prüft der für die Vollstreckung zuständige Haftrichter, ob dieser Haftbefehl aufgehoben oder aufrechterhalten wird. Wird der Haftbefehl bestätigt, so verbleibt der Betroffene zunächst in der Untersuchungshaftanstalt. Oftmals werden vermeintliche Täter nachts ergriffen, so dass sie eine Nacht in Polizeihaft verbringen, da eine Zuführung in die U-Haft nachts in der Regel unterbleibt. Dies geschieht dann am Folgetag sowie auch die Vorführung vor den Haftrichter. Wird der Haftbefehl aufgehoben, ist der Häftling umgehend auf freien Fuß zu setzen. Das Ermittlungsverfahren wird jedoch fortgeführt, wenn gegen den Betroffenen weiterhin ein dringender Tatverdacht besteht.. Hieran erkennt man die strikte Trennung zwischen Untersuchungs– und Strafhaft. Eine Verschonung von der U-Haft, die ausschließlich die effektive Ermittlung sowie das spätere Hauptverfahren sichern soll und keinerlei Strafzweck verfolgt, schließt grundsätzlich eine spätere Strafhaft infolge eines Strafurteils nicht aus.

Auch bei Bestätigung bzw. Erlass des Haftbefehls gibt es gleichwohl die Möglichkeit der Haftprüfung um der Haft zu entkommen. Diese kann form- und fristlos eingelegt werden und muss spätestens zwei Wochen nach der Antragstellung stattfinden.

Ihr Anwalt wird auf Ihre sofortige Freilassung hinwirken, wenn die oben genannten Voraussetzungen der Haft nicht oder nicht mehr vorliegen.

Unberührt bleibt auch vor Ablauf der sechs Monate eine Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls etwa gegen Meldeauflagen, Abgabe des Reisepasses und/oder Zahlung einer Kaution, wenn dies gleich geeignet und erforderlich, aber weniger einschneidend für den Mandanten ist, um eine Flucht zu verhindern. Im Falle eines Verstoßes gegen derartige Auflagen kann der Haftbefehl jederzeit wieder in Vollzug gesetzt werden. Der von Ihnen konsultierte anwaltliche Beistand wird selbstverständlich auch diese Möglichkeit prüfen, um die Freiheit seines Mandanten möglichst zeitnah wiederzuerringen.

Bei erfolgloser Haftprüfung kann  drei Monate später erneut eine Haftprüfung stattfinden. Gegen eine erfolglose Haftprüfung ist zudem die Beschwerde zulässig.

U-Haft bei Jugendlichen?

Bei Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren sowie sog. Heranwachsenden zwischen18 und 21 Jahren darf die Untersuchungshaft nach § 72 Jugendgerichtsgesetz (JGG) nur in absoluten Ausnahmefällen verhängt werden. So muss etwa gesondert begründet werden, warum im konkreten Einzelfall eine erzieherische Maßnahme wie etwa die einstweilige Unterbringung in einem Heim der Jugendhilfe nicht ausreicht. Ausgenommen hiervon sind Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren, die aufgrund ihrer Reife als „Erwachsene“ eingestuft werden. Ferner sind in besonderem Maße die überproportionalen Belastungen der Haft für Jugendliche zu beachten. Jugendliche unter 16 Jahre dürfen daher nur bei bereits erfolgter bzw. versuchter Flucht wegen Fluchtgefahr festgehalten werden. Zudem ist das Verfahren mit besonderer Beschleunigung durchzuführen. Dies hat den Hintergrund, dass im Jugendstrafrecht der Fokus auf dem Erziehungsgedanken liegt, während die Strafe in den Hintergrund treten soll.

Der für Jugendliche und Heranwachsende zuständige Jugendrichter muss außerdem insbesondere bei gerade erst strafmündigen 14-jährigen Verdächtigen die sog. Verantwortungsreife i.S.d. §3 JGG prüfen, da bei Nichtvorliegen eine Strafbarkeit ausscheidet. Besonders problematisch sind in diesem Bereich die sog. apokryphen Haftgründe. Von diesen spricht man, wenn mit der U-Haft vom Gesetz gesetzeswidrige Gründe wie eine Schocktherapie oder die Erzeugung von Leidensdruck bei Drogenabhängigen zur Erreichung einer Therapiemotivation verfolgt werden und diese als die oben genannten regulären Haftgründe gemäß §112 StPO verschleiert werden.

Wie lange darf die Untersuchungshaft vollzogen werden?

Grundsätzlich darf die Unterbringung als Untersuchungshäftling nicht länger als ein halbes Jahr dauern. Allerdings kann gemäß § 121 Abs. 1 StPO U-Haft verlängert werden, „wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen“. Hierüber entscheidet das Oberlandesgericht.

Zusammenfassend gilt es demnach auch im Hinblick auf die mögliche Dauer einer Untersuchungshaft im Falle einer Verhaftung nur die zwingenden Angaben zu den eigenen Personalien zu machen und zügig, aber wohl überlegt, mit einem Fachanwalt für Strafrecht Kontakt aufzunehmen.

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